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Schawuot-Fest: Thora-Studium und Erntedank

von Johannes Gerloff

JERUSALEM, 30.05.2017 – Heute Abend beginnt Schawuot, das jüdische Wochenfest. Es ist – genau wie das christliche Pfingstfest – ohne die so genannte „Omer-Zählung“ ab Pessach nicht denkbar. „Omer“ ist das hebräische Wort für die Getreidegarbe, die im Heiligtum als Opfer dargebracht wurde. Am zweiten Tag des Passafests soll das Volk Israel nach biblischer Anweisung mit der Zählung beginnen (3. Mose 23,10ff; 5. Mose 16,9).
Fünfzig Tage oder sieben „Wochen“ (hebräisch: Schawuot) nach der Gedenkfeier an den Auszug aus dem Land der Sklaverei soll ein Erntedankfest für die Erstlingsfrüchte des Feldes gefeiert werden. Diese „Fünfzig“ war für die ersten Christen ein so fest stehender Begriff, dass die Zahl – griechisch „Pentekoste“, von der „Pfingsten“ kommt – im Neuen Testament ausschließlich für die Omer-Zählung verwendet wird (Apostelgeschichte 2,1; 20,16; 1. Korinter 16,8).
Neben Pessach und Sukkot ist Schawuot eines der drei großen Wallfahrtsfeste Israels, an dem „alles, was männlich ist vor dem Angesicht des Herrn“ erscheinen sollte. Diese Anordnung, dass alle männlichen Israeliten dreimal im Jahr vor dem Herrn erscheinen sollen, wird ausdrücklich in Verbindung gesetzt zur Existenz des Volkes Israel im Land Israel (2. Mose 23,16f.; 34,23f.; 5. Mose 16,16). Ein ungestörtes, von Gott los gelöstes – also: „gott-loses“ – Wohnen im Land ist nach biblischer Vorstellung undenkbar.
Zudem sollten die Israeliten niemals vergessen „dass du Sklave warst in Ägypten“ (5. Mose 16,12). Deshalb, so erklären Rabbiner heute, zählt man in der Omer-Zählung auch nicht rückwärts, wie das eigentlich logisch wäre, wenn ein Mensch auf einen bestimmten Zeitpunkt zu lebt. Ein Soldat, der auf seine Dienstentlassung hofft, zählt genau wie das Brautpaar, das seine Hochzeit vor Augen hat, die Tage, die noch bis zum großen Ereignis bleiben. Beim Omer-Zählen dagegen bleibt immer der Rückblick auf das, woher man kommt. Das ersehnte Fest ist undenkbar ohne die erfahrene Befreiung.

Thora-Studium die Nacht hindurch

Und schließlich verband schon Mose in seinem Vermächtnis das Wochenfest mit dem „Bewahren und Tun der Gesetze“ Gottes (5. Mose 16,12). Heute ist Schawuot das Fest, an dem das jüdische Volk in besonderer Weise daran denkt, dass Mose auf dem Sinai die Torah empfangen hat. Deshalb studieren fromme Juden an Schawuot die ganze Nacht hindurch das Wort Gottes. Sie machen sich Gedanken darüber, was es bedeutet, die Stimme Gottes zu hören und ob die Offenbarung seines Willens eine einmalige Angelegenheit war, oder ob der Schöpfer auch heute noch in unsere Zeit und Gegenwart hinein spricht.
Rabbi Schlomo Riskin aus Efrat kommt zu dem Schluss: „Gott hat uns seine Torah in der Vergangenheit gegeben, bleibt aber gleichzeitig bis in die Gegenwart hinein der Geber der Torah.“ Deshalb gilt: „Nur wenn wir unsere Auslegungen auf die ursprüngliche und einzigartige Offenbarung vom Sinai gründen, werden wir auch in der Gegenwart die göttliche Stimme hören.“
Am Morgen sprechen sie dann das Frühgebet zum frühest möglichen Zeitpunkt, um so ihrer Begeisterung über die Gabe der Torah Ausdruck zu verleihen. An der Westmauer sind die Morgengebete von Tänzen und Gesängen begleitet. Zudem wird im Morgengottesdienst des Wochenfests das Buch Rut vorgelesen, dessen Handlung ausdrücklich während der Getreideernte im Frühjahr stattfindet. Der Übergang von der Gersten- zur Weizenernte fällt genau auf Schawuot.
Die biblischen Bestimmungen für das Wochenfest erwarten vom Volk, dass es sich versammelt, die Arbeit einstellt und eine Reihe von bestimmten Opfern im Heiligtum darbringt (4. Mose 28,26-31). Außerdem sollte jeder „eine freiwillige Gabe deiner Hand geben je nachdem, wie dich der Herr, dein Gott, gesegnet hat“. Und vor allem anderen galt auch für dieses Fest: „Du sollst dich freuen vor dem Herrn!“ (5. Mose 16,10-17).

Grüne Pflanzen und Milch

Nach jüdischer Tradition soll der Berg Sinai als Mose die Torah empfing Torah grün gewesen sein. Deshalb werden manche Synagogen mit grünen Pflanzen und Blumen dekoriert. Schawuot wird auch als „Gerichtstag für die Fruchtbäume“ bezeichnet. Dass vielerlei Milchspeisen verzehrt werden, soll darauf verweisen, dass die Torah der Muttermilch gleicht: Wie ein Säugling die Milch seiner Mutter braucht, braucht das jüdische Volk die Weisung Gottes.
Die Kibbuz- und Moschaw-Bewegungen des modernen Israel griffen in besonderer Weise Schawuot als Erntedankfest auf, um neue Produkte und Errungenschaften aus der Landwirtschaft, aber auch darüber hinaus, vorzustellen.

Foto: Johannes Gerloff

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