zurück zu Aktuelles

Palästinenser „versöhnen“ sich – doch die Hamas behält ihre Waffen

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 13.10.2017 – Die Spaltung der Palästinenser in die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) im Westjordanland und die Hamas im Gazastreifen war viele Jahre lang ein schmerzhafter Stachel. Der Zwist blockierte Verhandlungen mit Israel, weil Präsident Mahmud Abbas nicht im Namen „aller“ Palästinenser reden konnte und die Hamas stets ein Veto einlegte. Nach Versöhnungsgesprächen der zerstrittenen Parteien in Kairo soll sich das nun grundlegend ändern. Eine neue gemeinsame Regierung soll angeblich ihren Sitz in Gaza haben.

Die gewaltsame Übernahme des Gazastreifens durch die als Terror-Organisation international verrufene Hamas-Partei hatte zu einer kompletten Blockade des Küstenstreifens geführt. Denn der Grenzübergang Rafah nach Ägypten sollte per Vertrag von der Präsidentengarde aus Ramallah überwacht und kontrolliert werden. Nachdem aber alle PLO-Beamten vertrieben oder gar von Dächern der Hochhäuser in den Tod gestürzt worden waren, brach das mit Israel und Ägypten abgesprochene Grenzregime zusammen.

Überragender Wahlsieg der Islamisten

Der Bruch zwischen den Parteien kam nach den allgemeinen Parlamentswahlen im Januar 2006 zustande. Wegen des palästinensischen Wahlsystems, wonach der Kandidat mit den meisten Stimmen den ganzen Wahlkreis abräumt, selbst wenn andere Kandidaten weit mehr Stimmen erhalten, führte zu einem überragenden Wahlsieg der islamistischen Hamas. Gut diszipliniert hatte die Hamas jeweils nur einen Kandidaten ins Rennen geschickt, während die zerstrittene Fatah/PLO mit Dutzenden antrat.

Doch Präsident Abbas wollte den Wahlsieg nicht anerkennen. Er weigerte sich, der Hamas die Schlüssel zur Macht zu übergeben: Waffen, Polizei, Finanzen, Verwaltungshoheit. Zudem ließ Abbas das Parlament auflösen. Seitdem regiert der nicht wieder demokratisch legitimierte Abbas mit Dekreten. Für die Hamas war das immer wieder eine Gelegenheit zu behaupten, dass er gar nicht mehr Präsident sei, weil seine vierjährige Amtszeit längst abgelaufen sei. Dass die Hamas gar keine Legitimation hatte, mit Terror und öffentlichen Hinrichtungen zu herrschen, interessierte niemanden. Dreimal hat sie seit 2008 Krieg gegen Israel geführt und 12.000 Raketen abgeschossen.

Trotz mehrfacher Anläufe war eine „Versöhnung“ nicht aus eigener Kraft zu schaffen. Doch Anfang Oktober fuhr nun eine große Delegation in Absprache mit Israel in einer Autokolonne quer durch den jüdischen Staat von Ramallah nach Gaza. Es kam neben Ministern und hohen Beamten auch Regierungschef Rami Hamdala. Innerhalb eines Monats will angeblich auch Präsident Abbas den Gazastreifen besuchen. Ebenso sollen Neuwahlen organisiert werden. Das berichtet die ägyptische Zeitung Al Ahram.

Hamas gibt Waffen nicht ab

Hamas und Fatah einigten sich, dass PLO-Sicherheitsleute die Kontrolle der Grenzübergänge wieder übernehmen sollten. Dafür will Ramallah 3.000 Beamte schicken. Doch was geschieht dann mit Tausenden Polizisten in Hamas-Diensten? Wird Abbas diese Hamas-Kämpfer aufnehmen und entlöhnen? Insgesamt ist die Regierung in Ramallah aufgefordert, bis zu 50.000 Kämpfer und Beamte der Hamas einzustellen. Die Hamas bestand auch darauf, ihre schweren Waffen, darunter ihre Raketen für einen Beschuss Israels, nicht abzugeben. Das Prinzip „ein Staat, ein Gewehr“ konnte nicht durchgesetzt werden. Jetzt wird befürchtet, dass die Hamas ähnlich wie die Hisbollah im Libanon ein bewaffneter „Staat im Staat“ bleiben werde.

Israel warnt Palästinenser

Die Israelis interessiert nicht nur der künftige Umgang mit den Raketen oder Angriffstunnels. Entgegen allen Abkommen hält die Hamas zwei lebende Israelis und die Leichen von mehreren Soldaten fest. Der Koordinator für die Besetzten Gebiete, General Poli Mordechai, drohte zudem mit dem Beschuss von palästinensischen Grenzposten, falls die Kämpfer dort weiterhin mit Laserstrahlern die Soldaten auf der israelischen Seite blenden. Die Hamas reagierte empört: „Wir können doch nicht alle Verrückten unter Kontrolle halten.“ Mordechai konterte: „Ihr wurdet gewarnt.“

Bild: Kämpfer der Kassambrigaden der Hamas in Khan Younis im südlichen Gazastreifen. Trotz „Versöhnung“ mit der Fatah-Partei wollen sie ihre schweren Waffen behalten und sich nicht dem Kommando von Präsident Abbas unterstellen.  Foto: Abed Rahim Khatib / Flash 90

Weitere News aus dem Heiligen Land