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Schmuckstück vereint jüdische Familie aus der ganzen Welt

SOBIBOR / FRANKFURT, 13.11.2017 (FJ) – In Sobibor in Polen, einem früheren Konzentrationslager, wurde nach 70 Jahren ein Schmuckstück, der Anhänger einer Kette, eines Mädchens gefunden. Nun versammeln sich die Verwandten des Mädchens aus aller Welt in Frankfurt, um ihr zu gedenken.

„Das erste, was ich gefühlt hatte, war Schuld“

Während Ausgrabungen an einem ehemaligen Konzentrationslager in Sobibor haben die Archäologen neben Massengräbern und Grabkammern auch einen Anhänger von einer Mädchenkette gefunden. Die Gravur des dreieckigen Schmuckstücks zeigt das Datum „3. Juli 1939“, den Ortsnamen „Frankfurt“ und die hebräischen Wörter „mazal tov“ (übersetzt: Glückwunsch). Der Anhänger sieht fast gleich aus wie der, den Anne Frank getragen hatte. Forscher des „Yad Vashem“, des Holocaust-Gedenkzentrums in Jerusalem, nutzten alte Aufzeichnungen, um über das Geburtsdatum und den Geburtsort den Namen des Mädchens herauszufinden: Karoline Cohn. Papiere belegen, dass sie und ihre Familie im November 1941 über Minsk nach Sobibor deportiert worden waren. Das Mädchen und ihre Familie sind in dem Konzentrationslager umgekommen. Chaim Motzen, ein Amateur-Genealoge, war fasziniert von der Geschichte: „Wir hatten diese Person, die sogar von ihren eigenen Verwandten völlig vergessen wurde.“ Er begann, einen Stammbaum von Karolines Familie zusammenzusetzen. So konnte er über 100 heute noch lebende Cousinen und Cousins weltweit ausmachen.

Die meisten von Karoline Cohns Verwandten hatten weder gewusst, dass Karoline existiert hatte, noch dass sie selbst jüdischer Abstammung waren. Barry Eisemann, 72, aus Virginia, USA, ist ein Cousin ersten Grades von Karoline Cohn. Im Januar hatte Motzen ihn kontaktiert, um ihm von der unbekannten Cousine zu erzählen. „Es war ein sehr emotionales und überzeugendes Gespräch“, erinnert er sich. „Das erste, was ich gefühlt habe, war Schuld. Schuldgefühle darüber, dass wir ein gutes Leben haben und sie auch ein gutes Leben verdient hatte.“ Die Schwester von Barrys Vater, Elsa hatte nach ihrer Heirat mit Richard Cohn zwei Töchter bekommen: Karoline und Gitta. Morris (früher Moritz), der Vater von Barry und seiner Schwester Mandy, war 1930 mit seiner Frau nach Amerika geflüchtet. „Er sprach nie wirklich über den Holocaust und darüber, was mit seiner Familie geschehen ist“, erklärte Barry.

„Es gibt viele Familien, die nie richtig erwähnt werden“

Über 30 Verwandte des Mädchens aus aller Welt treffen sich heute in Frankfurt, um ihr einen sogenannten „Stolperstein“ zu widmen. Die kleine Messingplatte wird in den Boden vor ihrer letzten bekannten Adresse eingegraben. In die Platte sind die Daten ihrer Geburt und ihrer Deportation eingraviert. Die Feier wird von der Konferenz über jüdische Materialansprüche gegen Deutschland gefördert. Ebenso werden Jugendliche aus der Frankfurter Anne-Frank-Schule an der Gedenkfeier teilnehmen. „Wir reden immer über Anne Frank, aber manchmal vergessen wir, dass es viele andere Familien gab, viele andere Kinder, die vielleicht etwas ähnliches erlebt haben und nie wirklich erwähnt werden“, sagte die Direktorin der Schule, Nicola Gudat.

 

Foto: Privat

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