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Der lange Weg der Juden aus Algerien

von Elisabeth Lahusen

PARIS / BERLIN / ALGIER, 06.02.2018 – Nach jahrelangen Verhandlungen mit der “Claims Conference” hat die deutsche Bundesregierung beschlossen, Entschädigungszahlungen an die jüdischen Opfer des Vichy-Regimes in Algerien zu leisten.

Berechtigt für den Erhalt der Zahlung sind jene Juden, die von Juli 1940 bis November 1942 in Algerien lebten und Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung unter dem französischen Vichy-Regime waren. Es ist das erste Mal, dass algerische Juden offiziell als Opfer des Holocaust anerkannt werden. Insgesamt soll es sich um rund 25.000 Personen handeln, die jeweils 2.500 Euro bekommen sollen. Etwa 3.900 von ihnen leben in Israel.

Verfolgung der algerischen Juden

Laut der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem lebten 1939 rund 120.000 Juden in Algerien. Sie befanden sich damals zwischen Hammer und Amboss: Der muslimische Antisemitismus erreichte seinen Höhepunkt mit dem Ausbruch des Constantin-Pogroms von 1934, bei dem 25 Juden getötet wurden. Der französische Antisemitismus erreichte mit der Abschaffung des „Decret Cremieux“ im Zweiten Weltkrieg seinen Höhepunkt, als unter der Herrschaft von Vichy Juden ihrer französischen Nationalität beraubt wurden. Nach dem Krieg, während der Entkolonialisierung Algeriens in den 1950er Jahren, achtete die jüdische Gemeinschaft darauf, zwischen Algerien und Frankreich neutral zu bleiben. Im Dezember 1960 wurde die Große Synagoge in Algier gebrandschatzt. Araber rissen Gedenktafeln von den Wänden, verbrannten Bücher und Thorarollen.

Im Juni 1961 wurde der jüdische Musiker Sheikh Raymond Leyris auf offener Straße ermordet. Er war ein Symbol der gemeinsamen arabisch-jüdischen Kultur. Sein Schwiegersohn, der Chansonnier Enrico Macias, floh nach Frankreich und knüpft bis heute an diese algerische Kultur an. Die Juden standen damals vor der Entscheidung: Koffer oder Sarg. Als Algerien am 3. Juli 1962 seine Unabhängigkeit erklärte, waren fast alle Juden nach Frankreich gezogen. Viele dieser jüdischen Familien wandern heute von Frankreich nach Israel aus, um dem neuen muslimischen Antisemitismus zu entfliehen.

Claims Conference

Die “Conference on Jewish Material Claims Against Germany”, auch “Claims Conference” und Jewish Claims Conference (JCC) genannt, ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen. Sie vertritt seit ihrer Gründung 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust-Überlebender.

Das Foto zeigt Algerien im November 1942, amerikanische Soldaten landen am Strand. (Quelle: Yad Vashem)

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