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Wie weit werden die Mullahs in Teheran gehen?

eine Analyse von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 22.05.2018 – Der aufgeheizte Konflikt zwischen Israel und Iran hat die Angst vor einem nahöstlichen „Flächenbrand“ entfacht. Um das vermeintlich plötzliche Aufflammen eines militärischen Zusammenstoßes zu verstehen, und um vielleicht vorherzusehen, wie das weitergeht, muss man die Hintergründe begreifen.

Israel – Erzfeind der Mullahs

Beide Länder haben seit der Revolution der Mullahs 1979 einander ausschließende „Narrative“ (so nennt man eine politische Staatsideologie mit strategischen Zielen.) Der Iran hatte unter dem Schah „normale“ Beziehungen mit Israel gepflegt und dem jüdischen Staat sogar ein Viertel seines Ölbedarfs geliefert. Als jedoch Ayatollah Khomeini aus dem Pariser Exil zurück nach Teheran kam und Persien zu einer religiös dominierten Diktatur umformte, wurde Israel zu einem „Erzfeind“, der kein Existenzrecht hat mitten in der „Umma“, dem vom Islam „befreiten“ Territorium. Also betrieb Iran fortan mit verbalen Hieben und schließlich mit militärischen Mitteln die Auslöschung Israels.

Teheran zeigt Stärke.

Iranische Militärparade am „Tag der Armee“. Foto: Hosein Velayati

Umgekehrt verfügt auch Israel über ein ideologisches Narrativ. Seine Staatsideologie wird „Zionismus“ genannt. Es handelt sich dabei um eine weltliche Unabhängigkeitsbewegung des jüdischen Volkes mit dem Ziel, in einem eigenen Staat ohne Unterdrückung und Verfolgung leben zu können. Diese Unabhängigkeitsbewegung ging vor genau 70 Jahren in Erfüllung, als David Ben Gurion den Staat Israel ausrief. Im Staat Israel gelten Grundsätze. Dazu gehört die Fürsorge für alle Juden in der Welt, denen jederzeit die sofortige Einwanderung ins Land offensteht. Von diesem „Recht“ haben immer wieder Juden profitiert und Israel mit Einwanderungswellen überschwemmt. Erwähnt seien hier rund eine Million Juden aus der arabischen Welt kurz nach der Staatsgründung, eine Million Russen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa. Zurzeit kommen immer wieder Franzosen, Ukrainer, Äthiopier und Juden aus anderen Ländern, in denen der Antisemitismus neue Blüten treibt.

Die Erben der Nazis

Die Erinnerung an den Holocaust, dem Völkermord an den Juden durch die Nazis, hat Israel dazu gezwungen, ein hochgerüsteter Staat zu werden. Hitlers Träume einer Vernichtung „aller“ Juden wurden nach 1945 mit fast wortgleichen Formulierungen von der arabischen Welt übernommen und mit Kriegen immer wieder angestrebt: 1948, 1967 und 1973; alle scheiterten. Die Idee eines eliminatorischen Antisemitismus, die völlige physische Auslöschung aller jüdischen Menschen, war ursprünglich dem Islam fremd und wurde vor allem durch den Mufti von Jerusalem, Hadsch Amin el Husseini, ab 1941 mit seinen Rundfunksendungen von Berlin in die arabische Welt getragen. Zuvor waren Juden zwar unterdrückt, verachtet und mit unmäßigen Steuern belegte Bürger zweiter Klasse, aber der traditionelle politische Islam hatte den Völkermord nicht im Programm.

Selbst im „aufgeklärten“ Europa wird Israel nicht als „normaler“ Staat akzeptiert, wie Dutzende andere nach dem Zweiten Weltkrieg „künstlich“ entstandene Staaten. Rechte streiten den Juden den Status eines Volkes ab und halten deshalb Israel für ein „illegales Gebilde“. Linke berufen sich auf ihre Interpretation des Völkerrechts und betrachten Israel als illegales Produkt eines westlich imperialistischen Kolonialismus.

Israel setzt sich zur Wehr

Wer welche Argumente gegen die Existenz des jüdischen Staates hervorbringt, ist den Israelis letztlich gleichgültig. Tatsache ist, dass sie täglich durch feindliche Propaganda daran erinnert werden, keinen Platz auf Erden zu haben. Doch statt sich ihrem „Schicksal“ hinzugeben und zu jammern, was ihnen in den letzten 2000 Jahren nie geholfen hat, rüsteten sie auf und wehren sich gewaltsam gegen jede Attacke.

Im Augenblick gilt Iran als der gefährlichste Feind. Teheran betreibt eine anti-israelische Politik auf vielen Ebenen. Der Iran war verantwortlich für mehrere schwere Terroranschläge gegen jüdische und israelische Ziele in Argentinien. Raketen und andere Waffen werden an Terrororganisationen wie Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon geliefert. Und schließlich nutzt Iran den Zustand der Auflösung im bürgerkriegsgeplagten Syrien, um Israel auf den Golanhöhen direkt zu bedrohen.

Davids Schleuder soll Raketen aus Teheran zerstören.

„Davids Schleuder“ im Einsatz bei der israelischen Armee. Es ist eines der modernsten Raketenabwehrsysteme der Welt. Foto: United States Missile Defense Agency

Israels rote Linien

Israel hat klare „rote Linien“ verkündet. Dazu gehört, dass Waffenschmuggel an die Hisbollah im Libanon und die Errichtung von iranischen Militärposten auf der grenznahen syrischen Seite nicht akzeptabel sind. Sollte Iran nachweislich wieder sein Atomprogramm aufnehmen, wäre auch das für Israel ein existenzieller Grund, den Iran direkt anzugreifen.

Niemand weiß, was Iran plant, ob er die Konfrontation mit Israel will, oder sich wieder zurückzieht. Doch nur davon hängt ab, ob es zu dem befürchteten „flächendeckenden Nahostkrieg“ kommt (wobei die Angst vor einem „künftigen“ Flächenbrand schon ziemlich zynisch ist, denn in Syrien, Irak, Jemen, im ägyptischen Sinai oder in Libyen ist es auch ohne jüdische Beteiligung alles andere als friedlich).

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass Israel ohne jeden Grund oder Anlass einen Krieg gegen Iran startet. Denn im Unterschied zum Iran will Israel lediglich sich selbst absichern und nicht das andere Land auslöschen.

Bild oben: Ali Khamenei. Quelle: Wikimedia Commons, Khamenei.ir

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