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Bezwingt Gideon Sa’ar Netanjahu und führt Israel aus der Sackgasse?

von Tommy Mueller

JERUSALEM, 21.11.2019 – Erstmals in der Geschichte des Staates Israel hat es kein vom Staatspräsidenten beauftragter Politiker geschafft, in der Knesset eine Mehrheit zu finden und eine Regierung zu bilden. Sowohl Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) als auch Oppositionsführer Benny Gantz (Blau-Weiß) sind gescheitert. Staatspräsident Reuven Rivlin hat die Aufgabe nun, wie es die Verfassung vorsieht, an alle Knesset-Abgeordneten übergeben. Jeder der 120 Parlamentarier kann sich seit heute um eine Mehrheit bemühen. Dafür bleiben 21 Tage, ansonsten wird erneut gewählt. Es wären die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres. Im März 2020 müssten die Israelis erneut an die Wahlurnen.

Zeit beispielloser Dunkelheit“

„Dies ist eine Zeit beispielloser Dunkelheit in der Geschichte des Staates Israel“, erklärte Rivlin. Er sprach von einer „miserablen politischen Situation“. Sowohl Netanjahu als auch Gantz waren nicht kompromissbereit. Mehrere Treffen der beiden Anführer hatten gegenseitige persönliche Beschimpfungen als einziges Ergebnis hervor gebracht.

„Gebt Euch keinen Illusionen hin“, warnte Rivlin die Knesset-Abgeordneten, „diese Politik der Spaltungen muss aufhören.“ Er beklagte den politischen Stillstand unter der Übergangsregierung: „Euer politisches Schicksal ist nicht wichtiger als die alte Person im Krankenhaus, die Kinder in Sonderschulen, die Opfer von Gewalt im arabischen Sektor, die Bewohner des Südens – jüdische, arabische, ultraorthodoxe und säkulare -, die Schutz benötigen vor Raketenfeuer.“ Er rief die Abgeordneten auf, sich in den kommenden 21 Tagen nicht als Partei oder Parteienblock zu verstehen. Stattdessen solle jeder auf sein Gewissen schauen und die Frage beantworten, was seine Pflicht gegenüber dem Staat Israel ist.

Netanjahus größter Konkurrent

Als erster prominenter Likud-Politiker hat sich Gideon Sa’ar den Appell des Staatspräsidenten zu Herzen genommen und sich aus der Deckung gewagt. Er erklärte, im Gegensatz zu Ministerpräsident Netanjahu sei er in der Lage, eine Regierung zu bilden und die Nation wieder zu einen. Falls das Land auf einen dritten Wahlgang zusteuere, forderte er Vorwahlen bei der Likudpartei, bei denen er dann als Parteichef kandidieren werde.

Sa’ar gilt innerparteilich als aussichtsreichster Konkurrent Netanjahus. Der smarte 52-jährige Jurist war bereits Innenminister und Bildungsminister. Er gilt als liberal-konservativ und ist gegen einen palästinensischen Staat. Er kritisierte bereits 2005 den damaligen Regierungschef Scharon, als der israelische Siedler zwang, den Gazastreifen zu verlassen. Sa’ar ist bei den Anhängern der Likud-Partei sehr beliebt und erzielte stets herausragende Wahlergebnisse – bei parteiinternen Abstimmungen hat er Netanjahu mehrfach überflügelt. Er ist mit der bekannten Fernsehjournalistin Geula Even verheiratet, die viele Jahre die Hauptnachrichten im israelischen Fernsehen moderierte. Sein Vorbild ist der israelische Staatsgründer David Ben Gurion, zu dem er eine besondere persönliche Beziehung hat: Sein Vater war der persönliche Arzt des legendären Politikers.

Bild: Gideon Sa’ar, früherer Innen- und Bildungsminister, hat seine Ansprüche auf die Netanjahu-Nachfolge angemeldet. Foto: TPS

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