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Lieberman wird die Wahl entscheiden

JERUSALEM, 02.08.2019 (TM) – Der frühere Außen- und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman (61) wird bei den Parlamentswahlen in Israel zum Königsmacher. Das lässt sich aus einer aktuellen Umfrage schließen. Zur Wahl am 17. September wurden 32 Parteien zugelassen. Neun von ihnen haben eine realistische Chance, in die Knesset einzuziehen. Zu vergeben sind 120 Sitze.

Beide Lager fast gleichauf

Die Wahlbefragung wurde von der Zeitung Israel Hayom in Auftrag gegeben. Demnach käme die Likudpartei von Regierungschef Benjamin Netanjahu auf 30 Sitze. Sein Herausforderer Benny Gantz mit seiner Blau-Weiß-Partei erhielte 28 Mandate. Die vereinigten arabischen Parteien würden 12 Sitze erobern. Elf Sitze erhielte die Vereinigte Rechte, die von der früheren Justizministerin Ayelet Shaked angeführt wird. Liebermans Partei „Haus Israel“ werden zehn Sitze vorhergesagt, den vereinigten Linksparteien mit dem früheren Regierungschef Ehud Barak neun. Die beiden ultraorthodoxen Parteien kommen laut Umfrage auf jeweils sieben Sitze, die Arbeiterpartei von Amir Peretz wäre die kleinste Gruppierung mit sechs Abgeordneten.

Das bedeutet: Weder Netanjahu noch Gantz können ohne Lieberman eine Mehrheit erreichen. Der religiös-rechte Block hat ohne Lieberman 57 Sitze, der Mitte-Links-Arabische Block 56. Das Problem: Lieberman ist sowohl ein heftiger Kritiker der religiösen als auch der arabischen Parteien.

Lieberman gilt als Hardliner

Der aus Moldau stammende Lieberman gilt als Hardliner. Er fordert von den Ultraorthodoxen, nicht nur die Thora zu studieren und von Sozialhilfe und Kindergeld zu leben. Sie sollen stattdessen arbeiten und Militärdienst leisten. Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft bezeichnete er als „Fünfte Kolonne“, die mit den Palästinensern im Westjordanland wiedervereinigt werden sollten. Lieberman gilt als Siedlerfreund, er wohnt mit seiner Familie selbst in einer Siedlung. Er fordert ein hartes Vorgehen des israelischen Militärs gegen palästinensische Terrorgruppen. Unterstützt wird Lieberman vor allem von Israelis mit russischen Wurzeln.

Schwierige Regierungsbildung

Die jüngste Umfrage hat gezeigt, dass die Hälfte der israelischen Wähler eine Einheitsregierung zwischen der Likudpartei und „Blau-Weiß“ ohne die ultraorthodoxe Fraktionen wünscht. Lieberman hat angekündigt, eine solche Koalition notfalls zu erzwingen. Blau-Weiß-Parteichef Benny Gantz möchte aber unbedingt vermeiden, in einer Netanjahu-Regierung die zweite Geige zu spielen. So zeichnet sich jetzt schon ab: Die Bildung einer Koalition, die in der Knesset über eine stabile Mehrheit verfügt, wird nach den Wahlen im September nicht einfacher als nach den Wahlen im April. Da scheiterte Netanjahu mit der Regierungsbildung. Im September ist er erneut Favorit, kann sich seines Sieges aber nicht sicher sein.

Bild: Avigdor Lieberman bei einer Veranstaltung seiner Partei „Israel Beiteinu“ in Tel Aviv. Foto: Tomer Neuberg / Flash90