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Israel gedenkt zwei Tage lang der Opfer des Holocaust

JERUSALEM, 06.05.2016 (FJ) – Zwei Minuten lang stand das ganze Land still. In Israel wurde gestern an die sechs Millionen Juden erinnert, die während des Holocaust ermordet wurden. Um 10 Uhr morgens hielt das Land zwei Schweigeminuten, während denen die Sirenen heulten. Auf der Straße blieben die Autos stehen und die Fahrer stiegen aus, Radio- und Fernsehsender unterbrachen ihr Programm und Fußgänger verharrten in stillem Gedenken.

Danach fand die Zeremonie „Zu jeder Person gibt es einen Namen“ in der Gedenkhalle in Yad Vashem in Jerusalem und im Chagall-Saal in der Knesset statt. Dabei wurden die Namen von Holocaust-Opfern vorgelesen. Bei den anschließenden Kranzniederlegungen nahmen unter anderem Präsident Reuven Rivlin, Premierminister Benjamin Netanjahu, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Miriam Noar und viele weitere Politiker teil.

Bereits am Mittwochabend hatte die Feier zum Gedenken an die Holocaust-Opfer begonnen. Dabei hatten sechs Überlebende des Völkermords der deutschen Nationalsozialisten Fackeln entzündet, die an die sechs Millionen ermordeten Juden erinnern sollen. Später kamen Überlebende zu Wort: Zahava Roth konnte mit sieben Jahren aus dem Ghetto in Polen entkommen, ihre Eltern blieben zurück.

Holocaust-Überlebende und Angehörige legen Blumen auf die Namen der Konzentrationslager in der Gedenkhalle in Yad Vashem

Holocaust-Überlebende und Angehörige gedenken in  Yad Vashem den Opfern

Wir wollten es nicht verstehen. Wir haben nicht genug getan.“

Bei der abschließenden Zeremonie am Donnerstagabend wandte sich Präsident Reuven Rivlin in seiner Rede an die Überlebenden. „Immer weniger Überlebende des Holocaust leben unter uns. Dieses Jahr stellt eine wichtige Möglichkeit dar, das eigene Gewissen zu prüfen und zuzugeben: Wir haben Fehler gemacht. Die Holocaust-Überlebenden haben nie den Respekt erfahren, der ihnen gebührt.“ Bis zu diesem Tage hätte der Staat Israel nicht genug getan, um sich um die Opfer zu kümmern. „Meine Brüder und Schwestern, Holocaust-Überlebende, Helden der Wiederauferstehung, ich stehe heute hier für mich selbst und die Menschen in Israel, den Staat Israel, um jeden von euch um Vergebung zu bitten, bevor es zu spät ist. Wir haben es nicht verstanden. Wir wollten es nicht verstehen. Wir haben nicht genug getan.“

Im Anschluss ergriff Premierminister Netanjahu das Wort und stimmte Rivlin zu. „Bei dieser Gelegenheit, in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem, verspreche ich euch heute noch einmal: Es wird keinen weiteren Holocaust geben.“

Generalstabschef mit selbstkritischen Worten

Aufsehen erregt hatte der stellvertretende Generalstabschef Yair Golan am Mittwochabend bei seiner selbstkritischen Rede während der Gedenkzeremonie. „Wenn es etwas gibt, was mir Angst macht, dann sind es die furchtbaren Entwicklungen, die in Europa und besonders in Deutschland passiert sind, und deren Reste ich jetzt – im Jahr 2016 – unter uns bemerke. Nichts ist leichter, als den Fremden zu hassen und Angst zu schüren.“ Gerade am Holocaust-Gedenktag sei es wichtig, „Anzeichen der Intoleranz, der Gewalt und der Selbstzerstörung“ in der israelischen Gesellschaft zu bekämpfen. Im Nachhinein schwächte er seine Aussage ab und versicherte, er habe keinesfalls Israel und das Deutschland der Nationalsozialisten vergleichen wollen.

 

Fotos: Flash90/Olivier Fitoussi/POOL (Titelbild); Flash90/Corinna Kern

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