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Holocaust-Gedenktag 2022: Erinnerungen im Wohnzimmer

JERUSALEM, 27.04.2022 (NH) – Der alljährliche Holocaust- und Helden-Gedenktag beginnt heute Abend mit einer offiziellen staatlichen Gedenkfeier in Yad Vashem. Sechs Holocaustüberlebende werden stellvertretend sechs Fackeln für sechs Millionen ermordete Juden anzünden. Am Donnerstagmorgen wird sich das Land in einer zweiminütigen Trauer-Sirene in Gedenken an die Opfer und ihre Retter vereinen.

Coronapandemie weckt Traumata

Heute leben in Israel 161.400 Holocaustüberlebende. Mehr als 90 % von ihnen sind über 80 Jahre alt. Fast 15.000 Überlebende verstarben im vergangenen Jahr. Das sind durchschnittlich 42 am Tag. Tausende von ihnen leben einsam und zurückgezogen. Die Coronapandemie verstärkte bei vielen Überlebenden die Einsamkeit und verschlimmerte die grausamen Traumata des Holocausts. In ihrem fortgeschrittenen Alter führten fortwährende Lockdowns zu einer allgemeinen Verschlechterung ihres körperlichen und seelischen Gesundheitszustandes.

Dazu kämpfen immer noch zahlreiche Überlebende innerhalb der herausfordernden israelischen Realität, ihre letzten Lebensjahre in Würde zu verbringen. Zwar veranlasste die israelische Regierung in den letzten Jahren einige positive Veränderungen, doch der Kampf um lebenswichtige Dienstleistungen geht für viele von ihnen weiter.

Das Durchschnittsalter der Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords liegt bei etwa 85 Jahren, wobei 31.500 bereits über 90 Jahre alt sind und mehr als 1.000 die 100 Jahre überschritten haben. Die traurige Bedeutung der Statistik ist, dass die Zeitzeugen nicht mehr viele Jahre unter uns verweilen werden. Sie sind lebende Kronzeugen der dunkelsten Epoche der Menschheit. Ihre Berichte sind erschütternd, ergreifend und kraftvoll.

Bei persönlichen und bedeutungsvollen Treffen über die Initiative „Zikaron BaSalon“ erzählen Holocaustüberlebende ihre Geschichte. Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Zikaron BaSalon

Erinnerung im Wohnzimmer

„Zikaron BaSalon“ versucht, die Geschichten der Überlebenden zu verewigen und ihre kollektive Erinnerung zu verstärken. Das soziale Projekt entwickelte sich inzwischen zu einer Art neuer israelischer Tradition, um ihren Opfern, Helden und Märtyrern zu gedenken.

Die „Erinnerung im Wohnzimmer“ übergibt das Zepter der großen staatlichen Zeremonien an kleine, persönliche und bedeutungsvolle Treffen zwischen Holocaustüberlebenden und ihren Zuhörern. Geschichte und Gedenken greifbar und lebendig in den eigenen vier Wänden. Diese Zusammenkünfte finden jedes Jahr zu Tausenden in israelischen Wohnzimmern gleichzeitig statt.

Die Initiative ist im Heiligen Land inzwischen so bekannt geworden, dass selbst ausländische Diplomaten ihre Residenz für einen Erinnerungsabend mit einem Holocaustüberlebenden öffnen. Das Projekt wird auch in anderen Ländern, in denen Zeitzeugen leben, umgesetzt.

Es ist die Pflicht aller Nationen, auch ohne die physische Anwesenheit der Überlebenden ihre Geschichten und das Gedenken aufrechtzuerhalten. „Niskor ve lo Nishkach“ – „Gedenken und nicht Vergessen“.

Titelbild: Ein kleiner Junge legt seine Hand auf die tätowierte Nummer seines Großvaters. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

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