
Holocaust-Gedenktag – 70% der Überlebenden werden im nächsten Jahrzehnt nicht mehr unter uns sein
JERUSALEM, 23.04.2025 (NH) – Heute Abend beginnen in ganz Israel die Zeremonien zum jährlichen Holocaust-Gedenktag. Die Geschäfte schließen landesweit bereits um 19 Uhr, und die staatliche Kundgebung in Yad Vashem, an der neben dem israelischen Präsidenten und Premierminister auch hochrangige Politiker und Zeitzeugen einer der dunkelsten Epochen der Menschheit teilnehmen, leitet den Gedenktag ein. Am folgenden Tag wird das Land um 10.00 Uhr während einer zweiminütigen Sirene im Gedenken an die sechs Millionen ermordeten Juden zusammenstehen. Doch wie viele Zeitzeugen leben noch unter uns?
Zeitzeugen in Israel und ihre Herkunft
Der diesjährige Gedenktag steht unter dem Motto „Aus der Tiefe: Der Schmerz der Befreiung und des Wachstums“. Vor 80 Jahren unterzeichnete Nazi-Deutschland den Kapitulationsvertrag im Zweiten Weltkrieg. Von den heute weltweit geschätzten 211.300 Holocaust-Überlebenden leben 120.507 in Israel. Etwa 61% der Zeitzeugen sind Frauen (74.069), 39% Männer (46.438). 73% sind über 80 Jahre alt, 25% über 90 und ca. 1% hat das stolze Alter von 100 Jahren erreicht. Die älteste überlebende Person ist 113 Jahre alt. Aufgrund des hohen Alters sind etwa 50% verwitwet (61.049) und nur 37% verheiratet. 44.765 der in Israel lebenden Zeitzeugen wurden in der ehemaligen Sowjetunion geboren (37%), 20.556 kommen aus Marokko (17%), 13.254 aus dem Irak (11%), 13.202 aus Rumänien (ca. 11%) und 5.766 flüchteten aus Polen (5%) ins Heilige Land. Die meisten Überlebenden (31%) kamen in der großen Einwanderungswelle nach der Staatsgründung 1948-1951. In den 1990er Jahren kamen etwa 26% nach Israel und im laufenden Jahrhundert weitere 9%.
Hunderte von Holocaust-Überlebenden erlebten die Schrecken des 7. Oktobers
Mehr als 2.500 Holocaust-Überlebende erlebten die schrecklichen Massaker des 7. Oktobers 2023. Für viele von ihnen wurden alte Traumata wieder wach, denn das Erlebte ließ die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs wieder aufleben. Rund 2.000 Zeitzeugen wurden nach der Terrorinvasion aus ihren Häusern in sichere Regionen des Landes evakuiert, doch 128 Überlebende sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt.
Den Angaben zufolge starben im vergangenen Jahr 10% aller Holocaust-Überlebenden. Nach einer Hochrechnung der amerikanisch-jüdischen Non-Profit-Organisation Claims Conference wird es im Jahr 2032 weltweit weniger als 100.000 lebende Zeitzeugen geben. Von den 211.300 Holocaust-Überlebenden werden in zehn Jahren rund 70 Prozent nicht mehr unter uns sein.
Würdigung der historischen Erfahrungen und des Überlebens
Mit dem Rückgang der Zahl der Holocaust-Überlebenden wird es schwieriger, die Lehren aus der dunklen Zeit an die nächste Generation weiterzugeben. Die Organisation setzt sich dafür ein, die Zeugnisse der Überlebenden zu bewahren. Der Präsident der Organisation, Gideon Taylor, ruft dazu auf, die Überlebenden in Schulen, Gotteshäuser und Institutionen einzuladen: „Es ist nicht nur für unsere Jugend, sondern für Menschen aller Generationen wichtig, direkt von den Überlebenden des Holocaust zu hören und von ihnen zu lernen. Dieser Bericht ist eine eindringliche Mahnung, dass die Zeit dafür fast abgelaufen ist.“
Da die Zahl der Holocaust-Überlebenden abnimmt, ruft die Claims Conference dazu auf, sicherzustellen, dass die Zeitzeugen alle notwendige soziale, medizinische und emotionale Unterstützung erhalten. Die Überlebenden sollen ihre letzten Lebensjahre in Würde verbringen können, um ihre historische Erfahrung und ihr Überleben zu würdigen.
Titelbild: Die 96-jährige Auschwitz-Überlebende Rachel Herzl mit dem fast einjährigen David Nachman, der fünften Generation. Foto: Chaim Goldberg/Flash90