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Israels Polizei will verstärkt Muslime verpflichten

JERUSALEM, 11.09.2016 (DL) – Rund 60 Prozent der Morde und mehr als 40 Prozent der Verkehrsunfälle in Israel passieren in arabischen Gemeinden. Eine Untersuchung der Strafverfolgungsfälle durch die Abraham-Fund-Initiative zeigt, dass Araber in 58 Prozent aller Brandstiftungen dringend tatverdächtig waren, bei 47 Prozent der Diebstähle, 32 Prozent der Einbrüche und 27 Prozent der Drogen-Missbrauchs Fälle.
„Die Polizei kümmert sich nicht um die Araber“, erklärt Amneh Freij, deren Sohn Suhaib, 24, ein Profi-Fußballer, im Januar letzten Jahres in Kafr Qasim erschossen wurde. Amneh Freijs Ehemann, Mohammed, ist der stellvertretende Bürgermeister von Kafr Qasim, einer arabisch-israelischen Stadt mit 22.000 Einwohnern. Seine Position habe keinen Unterschied gemacht, erklärt sie. Suhaibs Mörder wurde nicht gefasst. Guy Ben-Porat, Professor an der Ben-Gurion-Universität des Negev, beklagt, dass sich seit Jahrzehnten die israelische Polizei und palästinensischen Bürger gegenseitig ausweichen. Als mit der Modernisierung der Einfluss der Stammesältesten in den arabischen Gemeinden erodierte, organisierte einige, wie in Kafr Qasim, ihre eigenen Sicherheitspatrouillen. Aber sie konnten die Tötung von Suhaib Freij nicht verhindern.
Arabische Muslime stellen derzeit nur 1,5 Prozent der 30.000-köpfigen nationalen Polizei Israels. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, versucht jetzt verstärkt arabische Muslime zu rekrutieren, so dass sich deren Zahl in drei Jahren um 1350 erhöht wird. Sie sollen in den arabischen Städten und Gemeinden arbeiten, wo das Ministerium 12 neue Polizeistationen eröffnen will.

Die tief verwurzelten Spannungen zwischen der israelischen Polizei und den 1,7 Millionen arabischen Bürgern – etwa ein Fünftel der Bevölkerung – spiegeln in gewisser Weise die Probleme der Polizeiarbeit in den Vereinigten Staaten wider. Gilad Erdan reiste deshalb in diesem Jahr nach New York – wo Hispanics etwa 27 Prozent der Polizeiabteilung, Afro-Amerikaner 15 Prozent und Asiaten fast 7 Prozent ausmachen. Es geht auch darum, Polizeikräfte zu sensibilisieren und mit Körperkameras Beschwerden von Misshandlungen durch die Polizei zu dokumentieren. Im Aufbau von Vertrauen sieht Erdan die größte Herausforderung, denn viele arabische Bürger verstehen sich in erster Linie als Palästinenser, nicht als Israelis. Minister Erdan hofft, dass der verstärkte Einsatz von Arabern in Zukunft auch hilft, die lokalen Strukturen zu verstehen.
Als die Rekrutierungsinitiative im April angekündigt wurde, haben sich etwa 700 Araber gemeldet. Jamal Hakroush, 59, stellvertretender Kommissar, erläuterte, etwa 200 kämen in die engere Wahl. Die erste Hürde sei die Aufnahmeprüfung. In speziellen Vorbereitungskursen lernen potenzielle Rekruten israelische Staatsbürgerkunde und Hebräisch. Diese Fächer kommen in den Lehrplänen der arabischen Schulen zu kurz.
Ahmad Sarhan, 22, wurde durch seine Familie motiviert: „Mein Cousin war ein Hirte. Nun schauen Sie ihn an: Er hat ein Haus, er hat eine Zukunft.“ Thekra Darwish, 22, sagt, sie wolle als Polizistin arbeiten, um Arabern bei ihrem Kampf für die Gleichstellung zu helfen. Die Sozialarbeiterin Aisha Dahleh, 26, ist entschlossen, gegen die Verbrechen in ihrer Stadt zu kämpfen: „Es wird jene geben, die sagen: ‚Sie ist ein Mädchen, sie ist religiös , sie ist eine Araberin,  sie ist eine Muslim – und sie arbeitet mit dem Staat ‚. Aber das hier ist mein Ziel.“ Shuaa Mansour, Bürgermeister aus Taibeh, einer Stadt mit einem besonders schlechten Ruf, meint in seinem kugelsicheren Büro bei Kaffee und Gebäck, dass er die Initiative nur ungern unterstütze, aber er weiß: „Wir haben keine Alternative.“
Mohammed Freij sitzt in seinem Wohnzimmer zwischen den Fußball-Trophäen seines ermordeten Sohnes und ist unschlüssig: „Sie müssen es versuchen. Es gibt jetzt die Polizei hier“, sagt er mit Blick auf die neue Polizeistation in Kafr Qasim, „doch die Vorfälle passieren und passieren und passieren.“

Bild: Israelische Polizisten sorgen im arabischen Viertel der Jerusalemer Altstadt für Sicherheit. Foto: Miriam Alster / Flash 90

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