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Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman ist zurückgetreten

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 14.11.2018 – Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman (60) ist am Mittwoch zurückgetreten. Zuvor hätte er sich nur mit seiner Frau und seiner Fraktion beraten. So wurden die Regierung und der Premierminister Benjamin Netanjahu zeitgleich mit dem ganzen Land durch eine Pressekonferenz im Gebäude der Knesset informiert. Lieberman hat dabei seinen Rücktritt erklärt. Der Vorsitzende der Partei Israel Beitenu reagierte damit auf Israels Zustimmung zu einer Waffenruhe mit der radikalislamischen Hamas. Dies sei ein „Einknicken vor dem Terror“, sagte er. Während einer Kabinettssitzung am Tag zuvor, als die Regierung und das Militär „einstimmig“ der Waffenruhe zustimmten, sei er „übergangen“ worden.

Lieberman für „schweren Schlag“ gegen Hamas

Lieberman vertritt den Standpunkt, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas-Partei eine „Terrororganisation“ sei. Sie habe sich der Vernichtung des Staates Israel verschrieben und könne allein deshalb kein Gesprächspartner sein. In regelmäßigen Abständen habe die Hamas Israel willkürlich mit Raketen beschossen. Das Ziel seien vor allem Städte wie Sderot, Netivot, Aschdod, Aschkelon und sogar das 70 Kilometer vom Gazastreifen entfernte Beerscheva gewesen.
Auch wenn heute Israel die Fähigkeit habe, die meisten feindlichen Raketen mit dem Abwehrsystem „Eiserne Kuppel“ abzufangen, würden dennoch immer wieder Raketen einschlagen und in zivilen Gebieten explodieren. Dabei sei es gerade in der vergangenen Woche zu Toten, über 70 Verletzten und erheblichem Sachschaden gekommen. Das könne Israel nicht hinnehmen. Lieberman plädierte deshalb für einen „schweren Schlag“ gegen die Hamas im Gazastreifen und für ihre Absetzung.
Israels Armee hat unter seiner Führung schwere Luftangriffe geflogen, infolge der Raketenangriffe und anderer Zwischenfälle. In Gaza seien 80 Ziele zerstört worden, darunter die TV-Sendestation der Hamas, ein Spionage-Hauptquartier, Hochhäuser und rein militärische Ziele wie Angriffstunnels, Ausbildungslager und Wachtposten. Dabei haben die Israelis jedes Mal die Menschen in den bombardierten Zielen rechtzeitig gewarnt, sodass es trotz schwerer Zerstörungen im Gazastreifen keine menschlichen Opfer gegeben habe, da die Menschen in allen Fällen die angegriffenen Häuser rechtzeitig verlassen konnten.

Hamas: Haben Verteidigungsminister gestürzt

Im Gazastreifen wurde die Waffenruhe als Sieg der Hamas groß gefeiert. Die Terror-Organisation behauptete, nun auch den Verteidigungsminister „gestürzt“ zu haben.
Die israelischen Regierungen, darunter auch Netanjahus, sind in der Vergangenheit bei mehreren Gaza Kriegen und auch jetzt, bei dem militärischen Schlagabtausch in der vergangenen Woche, sehr umsichtig mit der Hamas umgegangen. Die Regierungen verzichteten bei den Kriegen von 2009 und 2014 auf einen vollständigen Einmarsch. Einerseits wollten sie nicht das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel setzen. Denn unweigerlich hätten Häuserkämpfe im Gazastreifen auch hohe eigene Verluste bedeutet. Nachdem sich Israel unter Ariel Scharon 2005 völlig aus dem Gazastreifen zurückgezogen hatte, wollte die Regierung nicht erneut gezwungen sein, den Gazastreifen mitsamt seinen 2 Millionen feindselig eingestellten Bewohnern erneut zu kontrollieren und alles zu verwalten.
Damit im Gazastreifen kein Vakuum entstehe, war Israel auch bereit, die Herrschaft der „islamistischen Terrororganisation“ zu belassen und indirekt, dank Vermittlung der Ägypter, über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Lieberman hingegen vertrat die Ansicht, dass der Hamas nicht zu trauen sei und dass sie „ausradiert“ werden müsse, damit die Israelis im Süden des Landes wieder ein ruhiges Leben führen könnten, ohne nur 15 Sekunden Zeit zu haben, in einen Luftschutzraum zu rennen, sobald es Raketenalarm gibt.

Bald Neuwahlen in Israel?

Was der Rücktritt Liebermans und der Austritt seiner Fraktion aus der Regierung nun bedeutet, ist in Israel noch unklar. Netanjahu würde so jedenfalls seine knappe Mehrheit von nur einer Stimme im Parlament verlieren. Ob er nun mit einer Minderheitsregierung weitermachen will, ohne mehr Gesetze verabschieden zu können, ist offen. Lieberman forderte vorgezogene Neuwahlen im Frühjahr oder Sommer. Eigentlich dauert die Kadenz der jetzigen Regierung bis Herbst 2019. Die linke Opposition redet schon seit den letzten Wahlen von der Notwendigkeit, erneut zu den Urnen zu schreiten. Doch Kritiker dieser Absichten halten das für ein sinnloses Vorhaben. Denn in der Bevölkerung hat die Linke viele Befürworter verloren, sodass im Falle von Neuwahlen mit großer Wahrscheinlichkeit wieder eine Koalition von frommen und rechtsgerichteten Parteien eine Mehrheit erlangen würde. Das wiederum bedeutet, dass Netanjahu ein weiteres Mal den Zuschlag erhalten könnte, wieder eine Regierung zu bilden.
Das Amt des Verteidigungsministers würde automatisch zunächst an den Premierminister fallen. Doch ein Intimfeind von Lieberman und ebenfalls ein „Hardliner“, Erziehungsminister Naftali Bennett, fordert den Posten für sich und will andernfalls mit seiner kleinen Fraktion ebenfalls die Koalition verlassen.

Foto: Auf einer Pressekonferenz im israelischen Parlament gibt Verteidigungsminister Avigdor Lieberman am Mittwoch, den 14.11.2018 seinen Rücktritt bekannt. Quelle: Yonathan Sindel / Flash90.

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