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Wie ein Ex-General die israelische Gesellschaft umkrempeln will

PFORZHEIM / JERUSALEM,09.12.2018 (FJ)- Der Staat Israel feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Grund für die Jüdische Gemeinde Pforzheim, eine Benefiz-Gala zu veranstalten. Extra aus dem Heiligen Land angereist ist dafür ein prominenter Gast: der Ex-General und Israelpreisträger Doron Almog. Fokus Jerusalem hat die Gelegenheit genutzt und Doron Almog zum Gespräch getroffen.

„Niemals einen verwundeten Menschen zurück lassen“ – das hat sich Doron Almog nach dem Tod seines Bruders Eran im Yom Kippur-Krieg 1973 geschworen. Schwer verletzt war sein Bruder und Panzer-Kommandeur damals von seinen Kameraden auf den Golanhöhen zurück gelassen worden. Über eine Woche lang sollte er noch leben und auf Rettung warten – doch vergeblich, seine Soldaten hatten ihn aufgegeben. „Seitdem habe ich in jeder Schlacht, in der ich gekämpft habe, an meinen Bruder gedacht, immer mit dem Ziel, ihn zu retten“, erzählt der ehemalige Generalmajor. Doron Almog hat beim israelischen Militär eine steile Karriere hingelegt, genießt in der Bevölkerung höchstes Ansehen. An zahllosen Militäroperationen im Nahen Osten war er beteiligt. Seitdem er 1976 bei der „Operation Entebbe“ in Uganda mithalf, Geiseln aus den Händen palästinensischer und deutscher Terroristen zu befreien, gilt er in Israel als Kriegsheld.

Kämpfer für Menschen mit Behinderung

Seinem Bruder Eran hat er nicht mehr helfen können, doch die Rettung eines anderen Jungen gleichen Namens soll zu Doron Almogs Lebensaufgabe werden und aus ihm einen Kämpfer für die Rechte von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung machen.
1984 bringt seine Ehefrau Didi den zweiten Sohn zur Welt. Eran nennen sie ihn, nach Dorons verstorbenem Bruder. „Dein Kind ist dein Alter Ego, natürlich willst Du, dass es talentiert und erfolgreich ist“, meint der 67-Jährige. Umso größer war für die Eheleute dann der Schock, als ihnen die Ärzte offenbaren, dass ihr Sohn schwerstbehindert und somit ein lebenslanger Pflegefall ist. Schwere Hirnschäden und Autismus lautete die Diagnose. „Uns ist damals der Himmel auf den Kopf gefallen, dennoch haben wir uns entschieden ihn aufzuziehen und glücklich zu machen“. Aber das ist in Israel schwerer als gedacht. „Durch Eran haben wir den Hinterhof der israelischen Gesellschaft kennen gelernt. Eltern, die ihre geistig behinderten Kinder ablehnen, vernachlässigen oder ins Ausland abschieben. Doch wenn du dein Kind in einem anderen Land versteckst, hast du den Titel ‚Vater‘ nicht verdient“, so Doron Almog.

„Behinderte halten uns den Spiegel vor“

Was sie auf der Suche nach einer geeigneten Einrichtung für ihren Sohn erleben, ist abstoßend: „Sobald man die Tür zur Pflegeeinrichtung öffnete, strömte einem der Geruch von Fäkalien entgegen, die Kinder wirkten verängstigt und das Pflegepersonal schien sich für seinen Job zu schämen“. In Israel scheint kaum Platz für diese Menschen zu sein, geistig Behinderte passen nicht zu dem Bild der erfolgreichen Start-up Nation und einem Volk, das überdurchschnittlich viele Nobelpreisträger hervorgebracht hat. „Aber für was haben wir den jüdischen Staat überhaupt gegründet, wenn wir nicht glauben, dass alle Menschen gleich sind?“ fragt Almog. „Behinderte halten uns den Spiegel vor: die Art, wie wir mit den Schwächsten umgehen zeigt, was für eine Gesellschaft wir sind“.

Um seinem Sohn ein Zuhause zu schaffen und auch weil der Staat Israel seine Unterstützung für behinderte Menschen ab dem 21. Lebensjahr stark reduziert, gründet Doron Almog „ALEH Negev“, eine Einrichtung in der Negevwüste für junge Erwachsene mit multiplen Behinderungen. Über 140 Menschen leben hier in betreuten Wohneinheiten; Werkstätten und innovative Therapieprogramme stehen ihnen zur Verfügung. Ein gigantisches Projekt, das über 50 Millionen Dollar gekostet hat, die Hälfte der Kosten trägt der Staat. Der Rest wird aus Spenden finanziert.
In Israel gilt „ALEH Negev“ als Vorzeigeprojekt, eine Rehaklinik, Tagesklinik und ein integrativer Kindergarten sind mit den Jahren hinzugekommen. Hier gibt es auch die einzige integrative Schule in Israel, in der muslimische und jüdische Kinder gemeinsam unterrichtet werden.

Rund 450 Freiwillige aus aller Welt, darunter auch einige Deutsche, unterstützen die 340 Angestellten vor Ort. Über 100 Besucher zählt das Dorf jeden Tag, darunter Experten aus der ganzen Welt. „Sie wollen sehen, wie wir die Gesellschaft verändern“.
Als Vorsitzender ist Doron Almog zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und das Spendensammeln. Um sich ganz seiner Arbeit für „ALEH Negev“ zu widmen, hängte er 2003 seinen hochdekorierten Job beim Militär an den Nagel. Sein Sohn Eran war der erste Bewohner des Reha-Dorfes. Ein Jahr lang lebte er dort, bevor er 2007 starb. Heute ist Doron Almog weltweit als Vortragsredner unterwegs. Für sein Lebenswerk erhielt er 2016 den Israelpreis, die höchste Auszeichnung des jüdischen Staates.

Weitere Informationen unter https://aleh-israel.de/.

Foto: Moshe Shai / Flash90.

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