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Wer vom Emirate-Deal profitiert – und wer verliert

von Tommy Mueller

Benjamin Netanjahu hat es geschafft, dass die Vereinigten Arabischen Emirate den Staat Israel anerkennen. Das ist sein historischer Verdienst, der den Weg in die Geschichtsbücher finden wird. Ein Schritt zu einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten ist es nicht.

Mir ist eine Szene in Erinnerung, die ich vor einigen Jahren im Flughafen von Abu Dhabi gesehen habe: Auf einer Rolltreppe waren zwei Touristinnen aus Schweden unterwegs, bekleidet mit Spaghettiträger-Tops und sehr kurzen Miniröcken. Direkt hinter ihnen standen zwei vollverschleierte Araberinnen, ganz in Schwarz, nur ihre Augen waren unbedeckt. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind hin- und hergerissen zwischen westlicher Lebensart und traditioneller islamischer Kultur. Die gläsernen Skylines von Städten wie Dubai spiegeln die Sehnsucht der Scheichs nach einem Leben wie in Manhattan wider, mit prall gefüllten Einkaufszentren und raffinierten Unterhaltungsangeboten. Die Emirate sind in der Neuzeit angekommen und suchen ganz selbstverständlich die Nähe zur stärksten Regionalmacht der Region – Israel. Geplant sind ein Handelsabkommen, Direktflüge zwischen Tel Aviv und Abu Dhabi und gegenseitige Angebote für Touristen. Besucher aus den Emiraten sollen die Al Aksa-Moschee in Jerusalem besuchen dürfen, was offenbar bei den Verhandlungen eine wichtige Rolle spielte. 

In Jerusalem hofft man auf einen Dominoeffekt. Aus Diplomatenkreisen heißt es, Bahrain, der Oman und der Sudan könnten dem Beispiel der Emirate folgen. Selbst die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Saudi-Arabien wird nicht mehr ausgeschlossen.

Das Rathaus von Tel Aviv erstrahlt in den Farben der Vereinigten Arabischen Emirate.
Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

Palästinenser beklagen Verrat

Verlierer dieser Entwicklung sind vor allem die Palästinenser. Nun rächt es sich, dass sie sich Jahrzehnte lang als Opfervolk inszenierten, von internationaler Hilfe lebten und allen Friedensverhandlungen mit Israel aus dem Weg gingen. In der arabischen Welt schwindet die Unterstützung für den greisen Präsidenten Mahmoud Abbas und seine korrupte Fatah-Partei. Der 84-Jährige versucht sein Volk mit unrealistischen Versprechungen eines „Rückkehr-Rechts“ von Millionen Flüchtlingsnachkommen bei Laune zu halten, während er mit seinen Söhnen Millionen von Dollar ins Ausland schafft und klammheimlich den Terror gegen Israel fördert. Bisher galt die Regel: Solange es keinen palästinensischen Staat gibt, bleibt Israel in der arabischen Welt isoliert. Das gilt nun nicht mehr. Die Emiratis haben genug davon, dass die Palästinenser die Zukunft der ganzen Region blockieren.

Die Palästinenser haben gegen den Emirate-Deal gewettert wie gegen alle Friedensinitiativen zuvor. Sie verbreiten einmal mehr Dolchstoß-Legenden und beklagen den arabischen „Verrat“. Dabei haben die Emirate mit ihrem Schritt die Eingliederung jüdischer Siedlungen ins israelische Staatsgebiet verhindert, die Scheichs sprachen sich zudem für eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Das hätte Ramallah begrüßen, ja sogar feiern können. Die schroffe Ablehnung zeigt, was die palästinensische Militärjunta tatsächlich will: die Zerstörung Israels, keinen anerkannten jüdischen Staat an der Seite „Palästinas“. Das hat die Fatah mit ihren „Brüdern“ im Gazastreifen gemeinsam, mit denen sie eine herzliche Abneigung verbindet. Die Hamas gibt allerdings offen zu, dass sie Israel vernichten will.

Palästinenser verbrennen in der Nähe von Hebron eine Emirate-Flagge.
Foto: Wisam Hashlamoun/Flash90

Gemeinsamer Feind in Teheran

Der Deal zwischen den Juden in Jerusalem und den Muslimen in Abu Dhabi wäre nicht möglich gewesen, wenn Israel und die Golf-Staaten mit dem Iran keinen gemeinsamen Feind hätten. Das schiitische Mullah-Regime in Teheran strebt nach der Atombombe und der Vorherrschaft in der Region. Die sunnitischen Scheichs mit ihrer Sympathie für den Westen sind ihnen zutiefst verhasst. Die Schiiten betrachten Ali Ibn Abi Talib, einen Cousin und Schwiegersohn des Propheten Mohammed, als dessen einzigen legitimen Nachfolger. Die Sunniten setzten nach dem Tod Mohammeds die Wahl des Mohammed-Vertrauten Abu Bakr zum ersten Kalifen durch. Ein religiöser Streit, der vor 1388 Jahren begann und zu brutalen Kriegen und unzähligen Massakern führte, bis heute. Es ist nicht verwunderlich, dass die Ayatollahs in Teheran nun gegen die Emirate wettern, denn die Front gegen ihren Steinzeit-Islam wächst.

Vermittelt wurde der Deal von US-Präsident Donald Trump. Der pflegt mit Benjamin Netanjahu eine mitunter seltsame Männerfreundschaft. Trump lässt Netanjahu viel mehr Spielraum als sein Vorgänger Obama. Doch damit könnte im November Schluss sein, falls Trump die Wahl gegen seinen Herausforderer Joe Biden und dessen designierte Vizepräsidentin Kamala Harris verlieren sollte. Biden ist Israel gegenüber weitaus kritischer eingestellt als Trump. Dass Kamala Harris einen jüdischen Mann hat und von ihren Kindern in jiddischer Tradition „Mamele“ gerufen wird, wird da wenig helfen.

Wer hilft im Krisenfall?

Im brodelnden Nahen Osten ist es nur eine Frage der Zeit, bis Israel im nächsten Krieg um sein Überleben kämpfen muss. Auf die wankelmütige USA ist wenig Verlass, auf die notorisch antisemitischen Europäer noch weniger, auf die rein profitorientierten Chinesen schon gar nicht. Auch die Emirate werden sich dann wohl eher zurückhalten. In letzter Konsequenz kann sich der jüdische Staat nur auf seinen Gott und sich selbst verlassen.

Es gab in den vergangenen Tagen zwei Meldungen, die in der allgemeinen Nachrichtenflut beinahe untergingen. Israel hat sein neues, hypermodernes Raketen-Abwehrsystem „Arrow 2“ erfolgreich getestet. Die Luftwaffe hat ein weiteres Geschwader mit F-35-Kampfjets – diese „Tarnkappen-Flugzeuge“ sind vom gegnerischen Radar kaum zu erfassen – für einsatzbereit erklärt.

Man mag es bedauern, aber es ist Realität: Diese Meldungen sind für das Überleben Israels ebenso wichtig wie der Austausch von Botschaftern mit den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Ich schaffe Frieden im Land: Ihr legt euch nieder und niemand schreckt euch auf. Ich lasse die Raubtiere aus dem Land verschwinden. Kein Schwert kommt über euer Land.“ 3. Mose 26,6

Zum Autor: Tommy Mueller ist der Gründer und Leiter von Fokus Jerusalem.

Titelfoto: Skyline in Abu Dhabi. Foto: Abhishek Ajoy Menon

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