Schulbeginn zwischen Lehrerstreik und Raketenbeschuss – 2,5 Millionen Kinder starten in Israel ins neue Schuljahr
JERUSALEM, 02.09.2024 (NH) – Das neue Schuljahr hat begonnen. Insgesamt gibt es in Israel 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler – 179.300 von ihnen besuchen seit gestern die erste Klasse. Doch der aufregende neue Lebensabschnitt der kleinen Israelis wird vom Schatten des Krieges getrübt. Neben einer halben Million Oberstufler, die aufgrund des Lehrerstreiks zunächst nicht zur Schulbank zurückkehrten, haben sich 50 Prozent der Eltern im Norden und Süden des Landes entschieden, ihre Schützlinge nicht in den Schulalltag zurückkehren zu lassen – trotz besonderer Sicherheitsvorkehrungen in den betroffenen Gebieten. Rund 560 Schüler beginnen das neue Schuljahr mit dem erschütternden Titel “Waisenkind”.
Zwischen Krieg und Streik
Im ganzen Land bewachten gestern die israelischen Streitkräfte und lokale Sicherheitsteams Schulen, Kindergärten und Schulbushaltestellen. Insgesamt befinden sich in diesem Jahr 2.558.000 Kinder im israelischen Bildungssystem, davon 535.000 im Kindergartenalter. 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler sind in der Grundschule (1.-6. Klasse) eingeschrieben, 335.000 lernen in so genannten Mittelschulen (7.-9. Klasse) und 514.000 Jugendliche besuchen die Oberstufe (10.-12. Klasse). Doch für die israelischen Gymnasiasten begann das neue Schuljahr nicht wie geplant.
Trotz intensiver Verhandlungen zwischen dem Bildungsministerium und der Sekundarschullehrergewerkschaft kam es am 1. September erneut zu einem Streik im langjährigen Konflikt um die Gehälter und Arbeitsverträge der Lehrer. Die Lehrergewerkschaft befindet sich in laufenden Verhandlungen mit dem Bildungs- und dem Finanzministerium, doch scheinen die Gespräche ins Stocken geraten zu sein. Rückwirkende Gehaltserhöhungen und andere vereinbarte Leistungen wurden aufgrund des Kriegsausbruchs am 7. Oktober und der damit verbundenen Kürzungen verschoben. Mehr als 500.000 israelische Schüler an weiterführenden Schulen blieben daher zu Beginn des Schuljahres vorerst zu Hause.
Eltern fürchten um ihre Kinder
In anderen Landesteilen war es jedoch nicht die Entscheidung der Lehrergewerkschaft, sondern die der Eltern, das Schuljahr nicht wie geplant zu beginnen. Die anhaltenden Kämpfe in Gaza, der ständige Raketen- und Drohnenbeschuss aus dem Norden und die drohende Gefahr von Vergeltungsschlägen durch die Hisbollah und den Iran haben mehr als 50 Prozent der Eltern in den betroffenen Gebieten dazu veranlasst, ihre Kinder zu Hause zu lassen. Weitere 17.000 Kinder im schulpflichtigen Alter gehören zu den Zehntausenden von Israelis, die zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden sind. Sie haben zu Beginn des jüngsten Gaza-Krieges ihre Häuser in der Nähe der libanesischen Grenze verlassen und befinden sich noch immer in Hotels, bei Verwandten oder in Mietwohnungen. Die jüngsten Flüchtlinge haben gestern so das neue Schuljahr in provisorischen Bildungseinrichtungen oder lokalen Schulen begonnen.
Die israelische Knesset veröffentlicht zu Beginn des neuen Schuljahres eine besonders traurige Statistik: Seit Beginn des Krieges verzeichnet der jüdische Staat einen Anstieg der Waisenkinder um mehr als 2,5 Prozent. Allein durch das grausame Massaker der Hamas am 7. Oktober sind 255 Kinder zu Waisen geworden, darunter 22, die beide Elternteile verloren haben. Doch die Zahlen steigen weiter rasant an. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Kinder, die durch den Gaza-Krieg “Eiserne Schwerter” zu Waisen wurden, auf 643. 392 davon sind Kinder israelischer Soldaten und Sicherheitskräfte, 251 haben ihre Eltern oder einen Elternteil bei Terroranschlägen verloren.
Titelbild: Israelische Kinder am ersten Schultag in der Gabrieli-Carmel-Schule in Tel Aviv. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90