Anarchie im Gazastreifen: Hamas lässt Hilfstransporte ausrauben
JERUSALEM, 22.11.2024 (TPS / TM) – Von den rund 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern, die in den vergangenen Tagen in den Gazastreifen kamen, wurden mehr als 170 ausgeraubt. Das berichteten palästinensische Quellen dem israelischen Pressedienst TPS. Die Räuber verlangen „Transitsteuern“ in Höhe von 27.000 Dollar, manchmal auch 50.000 Dollar oder die Hälfte des Wertes der Lastwagenladung. Es handelt sich hauptsächlich um kriminelle Banden, aber auch um Milizen, die mit der Hamas-Terrororganisation zusammenarbeiten.
Zigaretten kosten 1500 Dollar
Die Hamas hat diesen Gruppen Verteilungslinien zugewiesen, um sicherzustellen, dass die humanitäre Hilfe ausschließlich ihre Mitglieder erreicht. Im Gegenzug erhalten diese Banden Geld, Lebensmittel und Gutscheine. Die Hamas zahlt den Banden auch 10.000 Dollar pro Monat für den Betrieb von Kontrollstellen. Inzwischen werden vom Westen gespendete Säcke Mehl und Reis für 700 beziehungsweise 500 Dollar verkauft, während eine Schachtel Zigaretten 1.500 Dollar kostet. Im September berichteten Palästinenser, dass die Hamas 800 Dollar für gespendete Zelte verlangt.
Soll die Armee eingreifen?
Professor Kobi Michael, ein leitender Forscher am Institut für nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv und ein leitender Mitarbeiter des Misgav-Instituts für nationale Sicherheit, erklärte gegenüber TPS: „Die Armee ist in der Tat die einzige Einrichtung auf der Welt, die die Lieferung von Hilfsgütern an die Palästinenser in Gaza sicherstellen kann. Aber um dies zu tun, braucht Israel die militärische Kontrolle über den gesamten Gazastreifen – etwas, das die UNO strikt ablehnt“, so Michael. Die Armee müsste eigene Lagereinrichtungen im Gazastreifen bauen und sicherstellen, dass Kräfte entlang aller Routen präsent sind, um die Hilfslieferungen zu sichern.
Der entlassene Verteidigungsminister Yoav Gallant warnte, dass Israel mit der Übernahme der Sicherheitsverantwortung für die Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen den Weg zu einer Militärregierung in der Enklave einschlagen würde, was ein nicht hinnehmbares Risiko für das Leben der israelischen Soldaten darstelle.
Als Verteidigungsminister hatte Gallant öffentlich davor gewarnt, dass Israel, wenn es die Hamas nicht durch eine alternative Regierung ersetze, gezwungen wäre, entweder die Rückkehr der Hamas-Herrschaft zu akzeptieren oder den Streifen selbst militärisch zu regieren. Beides sei inakzeptabel. Er hatte Regierungschef Netanjahu gedrängt, zu erklären, dass Israel dort eine zivile, nicht von der Hamas gestellte Regierung einsetze.
Künftige Regierung ist offen
Die von Netanjahu bevorzugte Lösung besteht Berichten zufolge jedoch darin, die Hilfsgüter unter dem Schutz des israelischen Militärs von privaten Organisationen verteilen zu lassen. Das Palästinenserhilfswek UNRWA werde dabei keine Rolle mehr spielen. Wer Gaza künftig regiert, ist weiter offen. Arabische Länder wollen sich nur beteiligen, wenn die Palästinenser einen eigenen Staat erhalten. Das lehnt die israelische Regierung bislang ab.
Bild: Palästinenser im zentralen Gazastreifen plündern humanitäre Hilfsgüter aus Lastwagen, die auf dem Weg zu einem Lager der Welternährungsorganisation in Deir al-Balah waren. Foto: Majdi Fathi/TPS-IL