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Psychisches Gesundheitssystem in der Krise: Drei Millionen Israelis leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen – nur 1% wird psychologisch behandelt

JERUSALEM, 12.02.2025 (NH) – Israels Rechnungsprüfer Matanyahu Engelman hat einen umfassenden Bericht über das psychiatrische Gesundheitssystem im Schatten des andauernden Krieges „Eiserne Schwerter“ veröffentlicht. Aus dem Gutachten geht hervor, dass das israelische Gesundheitsministerium nicht auf den massiven Ansturm auf psychologische Hilfe nach den Ereignissen vom 7. Oktober vorbereitet war. Trotz nachhaltiger Budgetierung sei es dem Gesundheits- und dem Finanzministerium nicht gelungen, die Wartezeiten für psychiatrische Behandlungen zu verkürzen und eine Vereinbarung zur Erhöhung der Gehälter von Psychologen zu unterzeichnen. Das Ergebnis sei, dass schätzungsweise 3 Millionen Israelis Symptome von posttraumatischem Stress, Depressionen oder Angstzuständen zeigten und nur 1 Prozent psychologisch behandelt wurde.

Belastungsstörungen, Depressionen und Angstzustände – wo hilft der Staat?

Um das Ausmaß des Bedarfs an psychologischer Behandlung zu erfassen, führte Matanyahu Engelman eine Umfrage unter 1.010 Personen durch. In den Fragebögen wurde die psychische Gesundheit der Teilnehmer erfasst. Die beunruhigenden Ergebnisse zeigen, dass mehr als 38% der Befragten an einer posttraumatischen Belastungsstörung (kurz PTBS), Depressionen und Angstzuständen mittleren bis schweren Grades erkrankt sind. Rechnet man die Ergebnisse hoch, so leiden etwa 580.000 Israelis an PTBS und etwa 3 Millionen an einem mittleren oder hohen Grad der genannten Symptome. Trotz der erschreckenden Resultate suchten weniger als 10% der Betroffenen psychiatrische Hilfe auf.

Einer der Hauptgründe dafür sei, dass eine Person mit psychischen Problemen mehr als sechs Monate auf einen Termin bei einem Kassenpsychiater warten muss und viele Menschen einfach nicht wissen, dass sie Anspruch auf Hilfe haben. „Das psychiatrische Versorgungssystem, das schon vor dem 7. Oktober kaum funktionierte, brach in den ersten Kriegstagen zusammen“, so Engelmann.

Freunde und Angehörige der Opfer des Nova-Massakers trauern am Tatort. Foto: Yonatan Sindel/Flash90

Hunderttausende benötigen dringend psychologische Hilfe

In seinem Report hebt der Rechnungsprüfer vor allem die Bevölkerungsgruppen hervor, die traumatischen und schwierigen Szenen ausgesetzt waren. Dazu gehören die freiwilligen Helfer der Notfallorganisation ZAKA, die wochenlang Hunderte von Leichen bargen (nur 1% der Helfer erhielten psychologische Hilfe), die Überlebenden des Nova-Party-Massakers, an dem rund 4.500 Menschen teilnahmen (24% erhielten psychologische Hilfe) und die evakuierten Kibbuzbewohner, die nur in den ersten vier Wochen psychologische Hilfe erhielten (nur 11% der Evakuierten wurden psychiatrisch behandelt).

Der Prüfer warnt eindringlich davor, dass der Mangel an Behandlung für so viele Menschen die Betroffenen dem Risiko aussetzt, dass sich ihre Symptome mit der Zeit verschlimmern. Eine so lange Verzögerung der Therapie kann sogar zu dauerhaften und schwerwiegenden Beeinträchtigungen des sozialen, familiären und beruflichen Lebens führen.

Gesundheitsministerium: „Engelmans Schlussfolgerungen sind grundlegend falsch“

„Der Staat Israel hat eine moralische Verpflichtung, sich um die psychisch Kranken in der Bevölkerung und insbesondere um die Terroropfer zu kümmern“, so Engelman. „Die Regierung und ihr Vorsitz müssen eine umfassende und langfristige Antwort auf die Opfer des 7. Oktober und des Krieges finden – und das nötige Budget dafür bereitstellen.“ 

Das israelische Gesundheitsministerium reagierte prompt auf Engelmans Report und räumte ein, dass „das System, das sich bereits vor dem Krieg in einer Krise befand, immer noch keine zufriedenstellende Antwort auf alle Bedürfnisse bietet“. Der Bericht wurde jedoch im April 2024 auf dem Höhepunkt des Krieges erstellt und zeichnet daher ein unvollständiges und problematisches Bild. Das Ministerium ist der Ansicht, dass das Exposé, das auf einer Selbstbefragung basiert, „als Grundlage für die Schlussfolgerungen grundlegend falsch ist und sogar die Widerstandsfähigkeit der Öffentlichkeit beeinträchtigen kann“.

Titelbild: Die Zerstörung des Kibbuz Nir Oz durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023. Ein ganzes Land ist seitdem traumatisiert. Foto: Chaim Goldberg/Flash90

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