Ende des öffentlichen Rundfunks: Nie wurde im israelischen Fernsehen so viel geweint
JERUSALEM, 10.05.2017 (DL) – Am gestrigen Dienstag wurde in Israel die „Reschut Haschidur“, die öffentlich-rechtliche „Sendebehörde“, völlig überraschend abgeschaltet.
Zu den typischen Merkmalen Israels gehört die „Sucht“, auf der Straße, im Bus oder im Taxi zu jeder vollen Stunde die Nachrichten zu hören. Derartiges haben Touristen noch nirgendwo anders erlebt. Ab sofort gibt es das nicht mehr.
Am Dienstagabend endete die letzte Tagesschau-Sendung im 1. israelischen Fernsehkanal mit dem Singen der Nationalhymne, nachdem sich im Studio auch Techniker und andere Mitarbeiter versammelt hatten. Beim Vers „Wir haben die Hoffnung nicht verloren“ flossen die Tränen. Der Moderatorin Michal versagte immer wieder die Stimme. Sie wischte sich vor laufender Kamera die Tränen ab. „Heute vor 38 Jahren habe ich hier angefangen zu arbeiten“, erklärte ein Wirtschaftsreporter und bedankte sich bei den Technikern, Kameraleuten, Fahrern und allen anderen Mitarbeitern.
Die Frage, wie es weitergeht, bleibt
Nur zwei Stunden vor Beginn der abendlichen „Tagesschau“ wurde mitgeteilt, dass es die letzte Sendung sein würde. Der Gesetzgeber hat beschlossen, die traditionsreiche Sendebehörde zu schließen und an ihrer Stelle eine „Sendekorporation“ ins Leben zu rufen. Die ist angeblich noch nicht bereit, die Sendungen nahtlos zu übernehmen. Fraglich ist vor allem, was mit den zahlreichen Reportern und anderen Mitarbeitern passieren wird. Viele werden in die Arbeitslosigkeit geschickt.
Bei den vielen Abschiedsreden der Reporter klang auch Wut heraus, weil die neue „Korporation“ vielen erfahrenen Mitarbeitern, Journalisten wie Technikern, die „kalte Schulter gezeigt“ habe.
„Kol Israel aus Jerusalem“, die „Stimme Israels“ hatte schon aus dem Untergrund vor der Staatsgründung 1948 gesendet. Vor genau 50 Jahren wurden die ersten Fernsehsendungen und die erste hebräische „Tagesschau“ produziert, zunächst in Schwarzweiß und später in Farbe.
Zahllose historische Augenblicke wurden mit den Mikrofonen der professionellen Reporter aufgeschnappt. Immer wieder waren sie die Ersten, die dramatische Nachrichten in die ganze Welt hinaustrugen.
Die „Stimme Israels“ ist verstummt
Niemand weiß, wie es weitergehen wird. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat schaltete sich vor einigen Wochen ein, weil die neue „Korporation“ ihren Sitz nicht in Jerusalem haben werde. Aus der „Stimme Jerusalems“ könnte künftig eine „Stimme aus Modiin“ oder aus einer anderen unbekannten Ortschaft werden.
Vergleichbar wäre es, wenn mit einer Vorwarnung von nur zwei Stunden in Deutschland plötzlich alle öffentlich-rechtlichen Sender, die ARD und Rundfunksender WDR, NDR, MDR, BR und ihre Dritten Programme auf einen Schlag abgeschafft würden.
Foto: Screenshot/Mabat (Youtube)
Hier die komplette israelische Nachrichtensendung. Auch, wer kein Hebräisch versteht, kann die Trauer der Mitarbeiter sehen:
Für Fokus Jerusalem waren wir schon einmal bei Radio Kol Israel zu Besuch. Hier der Beitrag: