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Wie ein Erdbeben die Klagemauer freilegte

JERUSALEM, 09.07.2017 (DL) – Vor dem 16. Jahrhundert gab es keine „Kotel“, also jene West- oder Klagemauer (Foto), an der die Juden heute beten. Zuvor war der Zugang zu ihr durch Wohngebäude blockiert. Ähnlich ist bis heute die Nordmauer noch unzugänglich. Diese „heilige Stätte“ ist Teil der Stützmauern des Tempelbergs und nicht ein Überrest des Tempels, den König Herodes errichtet und 20 -19 v.Chr. erweitert hatte.

Ishtori Haparchi (1280-1366), Autor eines Geographiebuches zum Heiligen Land, beschrieb das Jerusalem seiner Zeit. Er berichtete, Juden würden auf dem Ölberg, an der Ostwand und vor den Toren der Südwand beten.

Suleiman der Prächtige und die Mauer

All dies änderte sich schlagartig am Mittag des Donnerstag, dem 14. Januar 1546. Ein schweres Erdbeben traf die Region. Nach Augenzeugen wurden Hunderte Menschen getötet. Ein Erdrutsch staute zwei Tage lang das Wasser des Jordan-Flusses. Ein Tsunami zerschmetterte die Mittelmeerküste von Akko bis Gaza. Die Mittelmeer-Küstenlinie zog sich zurück, so dass man auf dem Meeresboden mit trocknen Füßen laufen konnte. Als das Meer zurückkam, riss es viele Menschen in den Tod.

In Jerusalem waren der Tempelberg und die ihn umgebenden Quartiere von diesem Erdbeben am schwersten getroffen. Das Dach des Felsendoms (oder der Al Aqsa-Moschee, nach einer anderen Quelle) stürzte ein, ebenso wie viele Häuser bei der Westmauer.

Nun wies Suleiman der Prächtige seine Ingenieure an, die Ruinen zu beseitigen und einen Abschnitt der westlichen Mauer als jüdischen Gebetsort einzurichten. Bis 1967 war das eine enge Gasse. Auf der einen Seite waren die Häuser des Mughrabi-Viertels, das erstmals im 12. Jahrhundert von muslimischen Einwanderern aus Nordafrika besiedelt wurde. Auf der anderen Seite dieser Gasse stand die Stützmauer des Tempelbergs. Dieser Gebetsbereich war nur 28 Meter lang, weniger als sechs Prozent der 488 Meter langen westlichen Stützmauer aus der Zeit des Herodes.

Neue Foschungsergebnisse

In den ersten Jahrhunderten, nachdem Sultan Suleiman es als Gebetsort erkoren hatte, wurde die Westmauer nur selten besucht. Frühe Beschreibungen deuten darauf hin, dass Juden zur Mauer kamen, um für göttliche Hilfe zu beten, wenn sie mit sehr kritischen Problemen konfrontiert waren. Regelmäßige tägliche Gebetsdienste wurden dort erst Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt. Das ermittelte der Professor emeritus Meir Loewenberg von der Bar Ilan University. Er hat über hundert Studien zur Geschichte Jerusalems und des Tempelbergs veröffentlicht. Israel gilt übrigens bis heute als stark gefährdet durch Erdbeben.

Foto: Gershon Elinson (Flash 90)

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