Palästinenser demonstrieren am 100. Jahrestag gegen die Balfour-Erklärung
LONDON / RAMALLAH / JERUSALEM, 03. 11. 2017 (FJ) -Tausende Palästinenser im sogenannten Westjordanland, Gaza, Beirut und auch in London gingen auf die Straßen, um die Anerkennung des palästinensischen Staates durch Großbritannien zu fordern.
Am 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung, in dem dem die Briten den Zionisten versprochen haben, ihnen im heutigen Staat Israel eine jüdische Heimat zu schaffen, marschierten in Ramallah rund 3.000 Demonstranten aus dem Stadtzentrum zum britischen Konsulat. Viele schwenkten Fahnen mit Parolen wie „100 Jahre Enteignung“ oder mit Bitten an Großbritannien, die „historischen Sünden“ zu korrigieren. Ein hochrangiger Vertreter der Fatah-Bewegung, Ahmed Helles, meinte, dass Großbritannien „sich wegen dieses Versprechens schämen und keine Feiern abhalten“ solle. Rawada Odeh, eine Demonstrantin in Jerusalem, rechtfertigte die Proteste damit, dass Balfour den Zionisten ein Zuhause versprochen habe, aber die palästinensische Bevölkerung in dem Land vernachlässigt werde.
Die Erklärung von 1917 diente als Grundlage für das britische Mandat von Palästina, das 1920 vom Völkerbund verabschiedet wurde. In den folgenden Jahrzehnten nahm die Zahl der Juden, die nach Palästina einwanderten, zu. Damit kam es vermehrt zu Spannungen zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung. Israel hingegen betrachtet das Versprechen als die erste internationale Anerkennung, die dem Wunsch des jüdischen Volkes, in seine historische Heimat zurückzukehren, gewährt wurde. Es sieht Großbritannien als eine unterstützende Rolle in der Leidensgeschichte, die von der Entschlossenheit, dem Heldentum und dem Pioniergeist der frühen Siedler dominiert wird, die für den Aufbau des Staates kämpften.
„Deklaration ist eine Erbsünde“
Israel erklärte 1948 die Unabhängigkeit, nachdem das britische Mandat geendet hatte und 1947 die UN-Generalversammlung für den Plan gestimmt hatte, Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat zu teilen. Die arabischen Vertreter stimmten allerdings gegen diesen Plan. Für die Palästinenser ist die Deklaration eine Erbsünde und ein Vorbote einer „Massenvertreibung“, die aus dem Krieg nach der Entstehung des israelischen Staats resultierte. Diese Flüchtlingskrise hallt immer noch in der palästinensischen Region wider. Die Palästinenser bezeichnen Israel und ihren „imperialistischen britischen Patron“ als „Kolonialunternehmen“. Großbritannien weigert sich der palästinensischen Forderung nach einer Entschuldigung für das ihnen zugefügte Leid und die Enteignung durch die Deklaration nachzukommen.
Premierminister Benjamin Netanyahu feierte das Jubiläum am Donnerstag in London bei einem Bankett, das von Nachkommen von Balfour und dem Empfänger seiner Erklärung, dem Führer der jüdischen Gemeinde, Walter Rothschild, und von Premierministerin Theresa May in den vergoldeten Hallen der Londoner Lancaster House Villa veranstaltet wurde.
„Großbritannien trägt Verantwortung“
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas benutzte einen Artikel in der britischen Guardian-Zeitung, um die Forderung an die britische Regierung zu wiederholen, die Erklärung als Fehler anzuerkennen: „Die Schaffung einer Heimat für ein Volk führte zur Enteignung und andauernden Verfolgung eines anderen, jetzt herrscht ein tiefes Ungleichgewicht zwischen Besatzern und Besetzten“, schrieb er. „Das Gleichgewicht muss wiederhergestellt werden, und Großbritannien trägt eine große Verantwortung bei der Führung des Weges.“
Foto: Wisam Hashlamoun/Flash90