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Historische Widerlegung von Jerusalem als Hauptstadt Israels?

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 03.01.2018 – Nur selten hat ein vermeintlicher Wissenschaftler, der gemäß seiner Selbstdarstellung auch „ein bisschen Archäologie“ versteht, so viel „Stuss“ (das deutsche Wort stammt von dem hebräischen „Schtujot“ und bedeutet „Unsinn“) zusammengeschrieben, wie Simone Paganini in der Aachener Zeitung (AZ). Er glaubt, die rein politische Absichtserklärung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump historisch widerlegen zu können.

Den modernen Staat Israel gibt es erst seit seiner Ausrufung 1948. Jerusalem wurde 1950 zu seiner Hauptstadt erklärt. Nur darauf bezog sich US-Präsident Trump, als er diesen „Fakt“ anerkannte. Es ist völlig abwegig, den Juden oder Israelis mit den von Simone Paganini angebrachten Argumenten und historischen Abhandlungen die tiefe Beziehung der Juden zu der Stadt abzuerkennen.

Historische Funde reichen wohl nicht aus

Nicht nur ausländische Archäologen, sondern auch die große Mehrheit der israelischen Forscher hegte Zweifel an der als ideologisch wahrgenommenen Deutung“, schreibt Paganini in der AZ.

Ja, wissenschaftliche Interpretationen sollten künftig per Mehrheitsbeschluss gefasst werden, wie in der UNO, wo es bekanntlich auch „automatische Mehrheiten“ gibt und wo zum Beispiel beschlossen worden ist, dass es nie einen Tempel in Jerusalem gegeben hat.

Diese Sichtweise wirft Fragen auf: Geht er auch so hart ins Gericht mit Jesus? Warum schlägt er nicht gleich die Abschaffung des Christentums, des Vatikans und aller Kirchen vor, solange noch kein Archäologe einen in Stein gehauenen Beweis für die Existenz des Jesus von Nazareth entdeckt hat?

Es geht um die Bedeutung Jerusalems für die Juden

Der biblischen Chronologie folgend war also Jerusalem lediglich von 1004 bis etwa 930 v. Chr. die Hauptstadt Israels“, erklärt Paganini.

Diese nachgezeichnete Geschichte der Stadt mag in groben Zügen stimmen, ist aber für das Verhältnis der Juden zu Jerusalem, oder auch der Christen und Moslems, ziemlich irrelevant.

Für die Juden erhielt die Stadt durch biblische Geschichten und die Erwähnung in Gebeten eine überhöhte religiöse Bedeutung. Wenn in den letzten Jahrhunderten für die Moslems und andere eher Damaskus die Hauptstadt der Region war, zeigt es nur, dass Jerusalem für sie eben keine überragende Wichtigkeit hatte.

Scheinbar beeinflusst von Palästinensern

Relevanter für heute sind Paganinis Ausführungen zur neueren Geschichte:

Im unmittelbar danach (1948) entflammten Nahostkonflikt ist Jerusalem einer der zentralen Streitpunkte zwischen Juden und Palästinensern.“

Paganini scheint von den üblichen unhistorischen Geschichtsklitterungen derart beeinflusst zu sein, dass er nicht einmal weiß, dass es 1948 noch keine „Palästinenser“ gab, als eigenständiges sich so nennendes Volk.

Weiter schreibt er: „Aber erst 1967 nach dem Sechs-Tage-Krieg beanspruchte es (Israel) die Souveränität über den Ostteil der Stadt […]“.

Paganini bringt da eine erstaunliche Erkenntnis. Souveränität kann normalerweise ein Staat erst verkünden, wenn er ein Territorium auch kontrolliert. Vielleicht ist Paganini aber auch beeinflusst von den heutigen Methoden der Palästinenser, die noch nicht einmal ihren Staat ausgerufen haben, aber schon Souveränität in Jerusalem beanspruchen. Dieses Vorgehen dürfte in der Weltgeschichte einmalig sein.

 

Der ganze Artikel von Simone Paganini ist hier zu lesen:

http://www.aachener-zeitung.de/news/politik/jerusalem-zwei-staaten-eine-stadt-und-keine-loesung-1.1791564

Foto: Die älteste erhaltene kartographische Darstellung Jerusalems auf der Mosaikkarte von Madaba, 6. Jahrhundert.

Quelle: Wikimedia Commons, public domain

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