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70 Jahre Archäologie in Israel – von Qumran bis zur Davidstadt

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 23.04.2018 – 1948 stieg ein Beduine in eine Höhle, um eine entlaufene Ziege einzufangen und entdeckte dabei ein paar alte Krüge. Einige waren leer, andere enthielten Asche und in einigen fand er beschriftete Pergamente. Das waren die ersten „Qumranrollen“, die fortan das Verständnis der Bibel und der Ursprünge des Christentums verändern sollten. Ganze Heere von Wissenschaftlern aus aller Welt beugten sich fortan über Tausende Kopien und winzige Schnipsel biblischer Texte, Briefe und anderer Dokumente in Hebräisch, Latein und Griechisch, auf Papyrus oder Leder geschrieben. Das Israel-Museum hat ihnen ein eigenes Gebäude gewidmet, dessen Form wie der Deckel eines Krugs gestaltet ist.

Jeder Quadratmeter atmet hier in Israel die Geschichte von Jahrtausenden. Nirgendwo kann ein Fundament ausgehoben oder eine Straße angelegt werden, ohne dass die Antikenbehörde den Untergrund kontrolliert. Archäologie spielt eine zentrale Rolle bei der Identitätssuche der Völker im Nahen Osten. Palästinenser erklären muslimisches Erbe, etwa in Jericho, zum Beweis für palästinensische Präsenz, Jahrhunderte, bevor es „Palästinenser“ gab. Armenier fanden in ihren Grundstücken in Jerusalem Spuren des Hohe-Priesters Kaiphas, während Juden überall im Land ihre Verbindung zur biblischen Geschichte aufzeigen.

Die Bibel als Leitfaden

Ob die Welt tatsächlich vor 5778 Jahren von Gott innerhalb von 6 Tagen erschaffen worden ist, ist wissenschaftlich nicht beweisbar. Aber schon der mythologische Erzvater Abraham, dem die Gründung der ehemals wunderbaren syrischen Stadt Aleppo zugeschrieben wird, könnte eine historische Figur gewesen sein. Die Stationen seiner Wanderung vom heutigen Irak nach Israel sind im archäologischen Kontext belegt. Abrahams Weg endete in Hebron, wo bis heute sein Grab in einem von König Herodes vor 2000 Jahren errichteten Gebäude verehrt wird.

Im Gebiet des Staates Israel nach 1948 liegen viele antike Städte aus biblischer Zeit, die in großangelegten wissenschaftlichen Ausgrabungen freigelegt wurden. Dazu gehören Hazor im Norden und Lachisch im Süden. Hinzu kamen Aschkelon, wo Spuren der biblischen Philister gefunden wurden, Caesarea, wo die Römer den größten Hafen ihres Imperiums angelegt hatten und Masada am Toten Meer. Dort wurde vor 2000 Jahren eine Heldengeschichte jüdischer Widerstandskämpfer detailliert dokumentiert. Der römisch-jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet, dass die Belagerten unter Führung von Eleazar Ben-Ya’ir, beschlossen, lieber als freie Menschen zu sterben, als den Römern in die Hände zu fallen: „Ein ruhmvoller Tod ist besser als ein Leben im Elend.“ Per Los bestimmten sie einige Männer, die wechselseitig den Rest der Gruppe und anschließend sich selbst töten sollten. Als die römischen Soldaten die Festung stürmten, lagen dort die Leichen von 960 Männern, Frauen und Kindern. Nur zwei Frauen und fünf Kinder hatten sich verborgen gehalten und konnten berichten, was geschehen war. Bis heute ist die Festungsruine das Symbol des jüdischen Freiheitswillens.
Zwischen 1965 und 1991 wurden hier die jungen Soldaten gemäß dem Motto „Masada darf nie wieder fallen“ vereidigt. 1969 wurden von den Archäologen gefundene Knochen mit einem Staatsakt feierlich begraben. Es hieß, dass so die jüdischen Verteidiger zur letzten Ruhe gelegt würden. Doch der Anthropologe Joe Zias hegte Zweifel und behauptete, dass die Knochen eher von römischen Legionären stammten. Zudem waren sie vermischt mit Schweineknochen.

Kontroversen vorprogrammiert

Derartige Kontroversen gehören zum Alltag israelischer Archäologen. Prof. Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv erklärte sogar die Könige David und Salomo zu Produkten fantasievoller Volkserzählungen. Dagegen haben Archäologen in Tel Dan im Norden Israels auf einem zweitverwendeten Stein die Inschrift „Haus des David“ gefunden. Das beweist natürlich nicht, dass es den rothaarigen Helden, der den mächtigen Goliath mit einem Steinwurf getötet haben soll, gegeben hat. Aber offenbar muss nach David eine ganze Dynastie benannt worden sein. Von König Salomon fehlt bisher jeglicher Nachweis. Den gibt es erst für seinen Sohn Rehabeam. Professor Gabriel Barkai von der Bar Ilan Universität meint dazu: „Jeder Mensch hat einen Vater.“ Wenn der Sohn nachgewiesen ist, dann müsse auch sein Vater existiert haben. Salomon gilt als der Erbauer des ersten Tempels in Jerusalem, von dem schon zahlreiche Spuren gefunden worden sind. Heute steht an dessen Stelle der Felsendom, eines der schönsten und frühesten Gebäude des Islam, vermutlich von christlich byzantinischen Architekten und Handwerkern entworfen und errichtet. Im Jahr 638 war Jerusalem vom Kalifen Omar, einem Nachfolger des Propheten Mohammad erobert worden.

Rund um den Tempelberg und südlich davon in der Stadt Davids, dem ältesten Teil Jerusalems, sind Ausgrabungen politisch besonders brisant.
Denn sie finden in dem von Israel seit 1967 besetzten Ost-Jerusalem statt, unter Häusern von Palästinensern, die hier ohne jegliche Baugenehmigung den Hügel bebaut haben, der in den 1920er Jahren, als die britische Archäologin Kathleen Kenyon dort erste Probegrabungen durchführte, noch kahl und leer war. Die israelischen Archäologen Roni Reich und Eli Schukrun haben dort gewaltige Höhlen und Wassertunnel aus der Zeit der Jebusiter freigelegt. Laut Bibel ist an dieser Stelle auch König David in die Stadt eingedrungen. Aber das ist selbstverständlich noch kein Beweis dafür, dass ausgerechnet ein David dort durchgekrochen ist. Gleiches gilt für einen mächtigen Bau mit tonnenschweren Steinen, wie sie nur eine staatliche Institution und gewiss kein Privatmann hätte bauen können. Eilat Mazar, Archäologin in den Diensten der Antikenbehörde, erklärte den Fund zum „Palast des Königs David“, errichtet auf einer schrägen Stadtmauer der Jebusiter. Politische Gegner behaupten, dass sie das nur sage, weil eine rechtsgerichtete Siedlerorganisation und ein „zionistischer Amerikaner, Kind von Holocaustüberlebenden“, ihre Grabung finanziert habe. Hätte Mazar behauptet, dass es sich um einen palästinensischen Königspalast handelte, 3000 Jahre ehe es Palästinenser als Volk gab, wären ihr wohl Forschungsgelder der UNICEF sicher. Bei einer Führung machte ein 10-jähriger Junge einen Vorschlag zur Güte: „Vielleicht war das Ganze ja ein Supermarkt…“

Foto: Das Israel-Museum, dessen Form wie der Deckel eines Krugs gestaltet ist.

Quelle: Wikimedia Commons, deror_avi

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