Weiteres Tauziehen wegen Botschaftsumzug nach Jerusalem
von Ulrich W. Sahm
JERUSALEM, 06.06.2018 – US-Präsident Donald Trump hat aus Rücksicht auf „nationale Interessen“ den Umzug der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem für sechs Monate „ausgesetzt“. Zwar wurde schon mit weltweiter Beachtung die Eröffnung der Botschaft im Konsulatsgebäude in West-Jerusalem gefeiert. Aber weil sich die Residenz des Botschafters weiterhin in Herzlija, einer Vorstadt von Tel Aviv, befindet, sei die Verlegung der Botschaft „nicht perfekt“. Die Amerikaner setzten dazu noch ein deutliches Zeichen. Weil es im Garten der Residenz im Sommer so heiß und schwül sei, haben sie beschlossen, den diesjährigen großen Empfang zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am 3. Juli nicht in Herzlija abzuhalten.
Botschaftsempfang in „Flughafencity“
Anstatt den Empfang nach Jerusalem zu verlegen, wo es auch im Sommer abends kühl und trocken sein kann, hat Botschafter David Friedman beschlossen, seine Gäste in einem Festsaal in der „Flughafencity“ nahe dem Ben-Gurion-Flughafen bei Lod zu empfangen.
Für die israelische Regierung, die Jerusalem als die „ewige wiedervereinte Hauptstadt Israels“ betrachtet, gelte das als schmerzhafte Ohrfeige, behaupten israelische Medien.
Während der Umzug der amerikanischen Botschaft zu weltweiter Empörung, Protestnoten der EU und Verurteilungen in der UNO führte – neben schweren palästinensischen Tumulten an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel – hat kaum jemand bemerkt oder beachtet, dass Russland schon vor den Amerikanern Jerusalem als Hauptstadt Israels offiziell anerkannt hatte. Die Eröffnung eines Botschaftsgebäudes steht noch aus, aber Moskau hat beschlossen, den jährlichen Empfang zum russischen Unabhängigkeitstag nicht in der Tel Aviver Gegend abzuhalten, sondern mitten in Jerusalem.
Im Stadtzentrum gibt es einen riesigen russischen Komplex mitsamt einer großen Kirche, einem Kloster und Pilgerhospizen, die heute teilweise als israelisches Polizeigefängnis genutzt werden. Das Kloster galt mitsamt seinen Antennen auf dem Dach als „stille Botschaft“ und Spionagezentrale des KGB, als zeitweilig die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Moskau abgebrochen waren. Diese russischen Gebäude wurden vor über hundert Jahren in Jerusalem errichtet, als das Land noch in der Zarenzeit mit Tausenden russisch-orthodoxen Pilgern überflutet worden ist.
Russen feiern in Jerusalem
Zu dem Russenkomplex in Jerusalem gehört auch der „Sergeij Hof“, in dessen Räumen heute die israelische Naturschutzgesellschaft ihre Büros hat. Das Gebäude und der Hof befinden sich bis heute in russischem Besitz. Zeitweilig wurde diskutiert, hier auch die russische Botschaft anzusiedeln. In diesem Jahr hat nun der russische Botschafter in Israel bestimmt, dass der diesjährige Empfang am 15. Juni im Hof des großen alten „Sergeij“-Gebäudes stattfinden solle.
Bild: Eine Frau mit amerikanischer Flagge vor dem US-Konsulat in Jerusalem im Mai 2018. Foto: Yonatan Sindel / Flash90