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Die Vernichtung des archäologischen Erbes auf dem Tempelberg

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 21.06.2018 – Der Staat Israel, die Palästinenser und das Königreich Jordanien kämpfen um die Deutungshoheit über archäologischen Schutt auf dem Jerusalemer Tempelberg.
1999 hatten Palästinenser im Süden des Tempelbergs bei den sogenannten Ställen des Salomon große Mengen Abraum ausgehoben, um die größte unterirdische Moschee der Welt zu errichten. Anstatt das historisch bedeutsame Erdreich mit wissenschaftlicher Überwachung behutsam zu sieben und zu erforschen, wurden tonnenweise Erde und archäologische Funde mit Bulldozern auf Lastwagen gehoben, heimlich nachts abtransportiert und auf einer Müllkippe im Kidrontal abgeladen. Unter der Leitung des israelischen Archäologen Prof. Gabriel Barkai wurde seitdem der Abraum vom Tempelberg gesiebt und wissenschaftlich geprüft. Neben modernen Scherben von Cola-Flaschen wurden in dem Schutt prähistorische Götzenfiguren und Speerspitzen der Eroberer der letzten 5000 Jahre gefunden. Zu den neuesten Funden gehören farbige Marmorplatten aus der Zeit des Königs Herodes. Diese Funde bestätigten Beschreibungen, wonach in der Zeit Jesu der Fußboden des Tempels wie ein „buntes Wellenmeer“ gewirkt habe.
Streit um Tempelberg
Der Tempelberg ist Juden, Christen und Moslems heilig. Gemäß biblischen Geschichten befindet sich unter dem Felsendom jener Gründungsfelsen, um den herum Gott die Welt erschaffen habe. Auf dem „Berg Moria“ wurde unter König Salomo der Tempel mit dem Allerheiligsten errichtet, den nach der Bibel auch Jesus besuchte. Und später errichteten dort die Moslems den Felsendom und die Al-Aqsa Moschee. 1948 eroberte Jordanien Ostjerusalem. Juden wie Christen wurde der Zugang zum Tempelberg verboten. Uralte Synagogen im jüdischen Viertel wurden gesprengt und viele Spuren jüdischer Geschichte dem Erdboden gleichgemacht. 1967 „befreite“ Israel den Heiligen Berg und öffnete ihn für Besucher aus aller Welt. Israel hatte nun die Souveränität. Die islamische Waqf-Stiftung unter der Führung Jordaniens wurde von den Israelis als Verwalter belassen, aber das Sagen hatten letztlich die Palästinenser und diese machten daraus eine Auseinandersetzung mit unzähligen Toten, den zweiten Aufstand der Palästinenser gegen Israel, die von dem PLO-Führer Jassir Arafat so genannte Al-Aqsa Intifada. Seit 1929 wurden von arabischer Seite immer wieder „die Juden“ bezichtigt, die Al-Aqsa Moschee zerstören zu wollen, um an ihrer Stelle den jüdischen Tempel erneut zu errichten.
Verbliebene Schutthaufen werden entsorgt
Ein Teil des Aushubs liegt noch seit 2004 als Schutthaufen auf dem Tempelberg, nachdem das oberste Gericht Israels eine weitere wilde Entsorgung gestoppt hatte. Während des Ramadan-Monats 2018 begannen Arbeiter im Auftrag des Waqf, die seit 2004 zurückgebliebenen Erdhaufen auf dem Berg wegzuräumen. Israelische Archäologen alarmierten die Regierung. Israel stand vor dem Dilemma, entweder das Antiken-Gesetz einzuhalten oder aber blutige Auseinandersetzungen mit Moslems zu riskieren. Um die Erdhaufen im Auge zu behalten, errichtete die israelische Polizei Beobachtungsposten. Moslems beschwerten sich und der jordanische König Abdullah forderte bei einem seltenen Treffen mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in Amman, die Polizisten wieder abzuziehen. Die Moslems verweigern jegliche wissenschaftliche Erforschung und archäologische Ausgrabungen in ihren „Heiligtum“ und halten sich prinzipiell nicht an bestehende Gesetze Israels. Die Israelis hingegen sind „machtlos“, solange sie nicht Krieg mit der ganzen islamischen Welt, darunter Jordanien, riskieren wollen. Mit der Plünderung und Entsorgung der seit 2004 auf dem Berg verbliebenen Schutthaufen wird weiteres archäologisches Wissen um eine der ältesten Kulturstätten der Menschheit unwiederbringlich verloren gehen.

Titelfoto: Volontäre sieben archäologisch bedeutsamen Schutt. Quelle: Ulrich W. Sahm.

Foto: Professor Barkai vor dem Schutthügel des Tempelbergs. Er leitet dessen archäologische Untersuchung. Quelle: Ulrich W. Sahm.

Professor Barzilai vor Schutthaufen auf Tempelberg.

 

 

 

 

 

 

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