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Sonne, Strand, Araber und Apartheid

von Tommy Mueller

HERZLIYA, 28.07.2018 – Es hat durchaus Vorteile, kein orthodoxer Jude zu sein, sogar in Israel. Nicht nur, dass ich bei 32 Grad keinen schwarzen Anzug und keinen warmen Mantel tragen muss. Sondern auch, dass ich als Christ am Schabbat ans Meer fahren darf. Fahren ist gläubigen Juden am Ruhetag verboten. Aber unzählige säkulare Israelis zieht es dennoch jeden Samstag an den Ozean.

Meine Frau und ich mögen besonders den Strand von Herzliya, von Jerusalem aus sind wir in einer knappen Stunde da. Das Wasser ist hier klar und sauber – wenn die Strömung nicht gerade mal wieder geraspelten Plastikmüll herbei wirbelt, aber das ist mittlerweile ein weltweites Problem.

Kampf um die Lärmhoheit

Zwischen einem israelischen und einem deutschen Strand gibt es einige wesentliche Unterschiede. Als erstes fällt die Beschallung ins Auge oder besser ins Ohr. Die Israelis fürchten militärisch keinen noch so starken Feind, haben aber offenbar eine panische Angst vor Stille. Und so dröhnt die Musik der Strandrestaurants an gegen die aktuellen Hits aus vielen kleinen Lautsprechern, mit denen sich die Badegäste einen niemals endenden Wettstreit um die Akustik-Hoheit liefern. Dazu kommen die ständigen Durchsagen der Rettungsschwimmer. Die kanzeln in rüdem Befehlston jeden ab, der es wagt, die genehmigte Schwimmzone mehr als einen Meter weit zu verlassen oder gar versucht – streng verboten! – die Wellenbrecher-Steine zu erklimmen. Dafür verfügt jeder Wasserwacht-Turm über eine entsprechend starke Durchsage-Anlage mit mindestens drei Lautsprechern. Wenn die tatsächlich mal kurz schweigen, kommt das ewige Klack-Klack der Matkot-Spieler besser zur Geltung. Das Spiel (ein Gummiball wird mit zwei Holzschlägern hin- und her gedroschen) hat sich epidemisch an der Küste ausgebreitet. Nicht-Spieler nennen den neuen Nationalsport abfällig die „Strandpest“.

Am Strand von Herzliya ist immer etwas los – ich liebe es! Und weil Israelis im Schnitt deutlich mehr Kinder haben als Deutsche, ist der Sand voll vom tobenden Nachwuchs, der an der Küste alles findet, nur keine Ruhe.

Als wir am Strandrestaurant vorbei gehen, fallen uns vier Hidschab tragende Araberinnen auf, die ganz entspannt auf den weichen Liegen herum lümmeln. Die Kellner, die sie mit Getränken versorgen – ein Knochenjob bei der Hitze – sind smarte, sonnengebräunte jüdische Surfertypen. Für zwei Liegestühle und einen Sonnenschirm knüpft uns ein aus Äthiopien stammender drahtiger Jude mit Strohhut 90 Schekel ab, verhandeln ist zwecklos. Der Eisverkäufer, der laut (!) „Gliiiii-dah“ rufend durch den Sand stapft, ist Araber. Ich kenne übrigens persönlich arabische Chefärzte, leitende arabische Krankenpfleger, erfolgreiche arabische Anwälte, arabische Parlamentsabgeordnete und arabische Sicherheitschefs. Von einem Apartheid-Staat ist Israel etwa soweit entfernt wie der Blutmond von der Erde.

Es geht auch ohne Hetze

Der Strand ist ein Beweis dafür, dass das Zusammenleben verschiedener Völker und Religionen in Israel funktionieren kann – wenn man die „große“ Politik ausklammert, niemand den einen gegen den anderen aufhetzt und sich alle entspannt an die Spielregeln halten.

Auf dem Weg zum Parkplatz passieren wir am Abend ein Schild: „Gehe in Frieden“ steht da auf hebräisch, arabisch und englisch. Es gibt diesen Frieden tatsächlich – für einige Stunden haben wir ihn gefunden, am Schabbat am Strand von Herzliya.

Tommy Mueller ist Redaktionsleiter von „Fokus Jerusalem“.

Bild: Badespaß am Mittelmeerstrand von Herzliya. Foto: Tommy Mueller / Fokus Jerusalem

 

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