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Oberstes Gericht berät über Netanjahus Notregierung

JERUSALEM, 04.05.2020 (DK) – Israels Oberstes Gericht hat die Anhörung einer Klage gegen Benjamin Netanjahus neue Notregierung begonnen. Mitte April einigten sich Netanjahu und sein ehemaliger Rivale Benny Gantz auf eine große Koalition. Das Abkommen sieht ein Rotationsverfahren im Amt des Premierministers vor. Doch in nur wenigen Wochen muss sich Netanjahu aufgrund einer Korruptionsanklage vor Gericht verantworten. Nun soll vom Obersten Gerichtshof entschieden werden, ob er noch vor dem Prozess als Regierungschef eingeschworen werden darf. Die Klage gegen die EInheitsregierung wurde von Bürgerrechtlern und Oppositionspolitikern eingereicht. 

Richter zeigen sich wenig überzeugt von Klage gegen neue Regierung

Ein ungewöhnlich großes Gremium aus elf Richtern nimmt an der zweitägigen Anhörung teil. Angesichts der großen politischen Bedeutung, werden die Beratungen live im Fernsehen übertragen. Sollte das Gericht zugunsten der Bürgerrechtler entscheiden, stünde Israel die vierte Parlamentswahl bevor. Nach der siebenstündigen Sitzung am Sonntag schienen die Richter jedoch wenig überzeugt von den Argumenten gegen die neue Regierung. Der Entscheid wird spätestens am Donnerstag verkündet, weil die Knesset bis dahin einen Abgeordneten für die Regierungsbildung auswählen muss.

Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund für Einmischung des Obersten Gerichts

Netanjahu wurde von dem Likud-Anwalt Michael Rabello verteidigt. Dieser argumentierte, dass mehr als eine Million Israelis für Netanjahu gestimmt hätten. Die Bürger hielten den 70-Jährigen demnach für fähig, das Amt des Ministerpräsidenten zu bekleiden. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, er sehe keinen Grund für eine Einmischung des Gerichts in der Frage, obwohl die Vorwürfe gegen Netanjahu sehr ernst seien. 

Da Israel keine Verfassung besitzt, genießt der Oberste Gerichtshof nicht die Unabhängigkeit und Autorität eines Verfassungsgerichts. Als Grundlage für den Handlungsspielraum der Justiz dienen lediglich die Grundgesetze. Deshalb wird der Machtbereich mit jeder Regierung aufs neue abgesteckt. Sollten die Richter bei dieser Anhörung also Netanjahu Recht geben, fürchten Bürgerrechtler, dass sie ihre eigene Macht einschränken. Der Ministerpräsident und seine Parteianhänger haben oftmals offen die Autorität der obersten Richter in Frage gestellt.

Bild: Oberstes Gericht bei Sitzung im Februar 2018. Quelle:  Hillel Maeir/TPS

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