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Rivlin: Das Virus des Antisemitismus ist zäher als das Coronavirus

JERUSALEM, 10.09.2020 (TM) – Israels Staatspräsident Reuven Rivlin hat in seiner Residenz eine Gedenkveranstaltung abgehalten, die an die Pogrome gegen die Juden in Deutschland und Österreich vor 82 Jahren erinnerte. Daran nahmen auch der deutsche Staatspräsident Frank-Walter Steinmeier und der österreichische Präsident Alexander van der Bellen teil. Darüber hinaus gab es im ganzen Land Veranstaltungen, die an die „Kristallnacht“ (in Israel wird diese Bezeichnung verwendet) erinnerten.

Am 9. November 1938 begann ein zweitägiges Pogrom, bei dem die Nazis mehr als 1.400 Synagogen und jüdische Einrichtungen in Deutschland und Österreich niederbrannten. Es war ein Glied in einer Kette von Ereignissen, die schließlich zum Holocaust führten, dem organisierten Mord an sechs Millionen Juden. Um daran zu erinnern, blieb in Hunderten von Synagogen, Kirchen und Moscheen in über 50 Ländern in der Nacht zum Dienstag das Licht eingeschaltet, als Symbol der Hoffnung vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus, Rassismus und Hasses.

Präsident Reuven Rivlin: „Während die Öfen der Nazi-Krematorien seit langem gelöscht sind, brennen die Flammen, die jüdische Gotteshäuser, Häuser und Geschäfte in der Kristallnacht verzehrten, bis heute. Flammen des Hasses und des Rassismus. Ich hoffe und bete, dass die Menschheit aus der Geschichte lernen wird. “

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: „Am 82. Jahrestag der Kristallnacht erinnern wir uns an die Nacht, in der der Holocaust begann. Wir schwören, dass das jüdische Volk nie wieder schutzlos gegen jene Kräfte sein wird, die unsere Vernichtung anstreben.“

Verteidigungsminister Benny Gantz: „Heute Abend werden wir an den unerträglichen Preis des Hasses und die zerstörerische Kraft des menschlichen Übels erinnert. Und angesichts der Kräfte, die uns Schaden wünschen, stehen wir fest, stark und sicher in unserem eigenen Land und sagen klar: Nie wieder. “

Präsident Frank-Walter Steinmeier: „Die Novemberpogrome waren nicht der Beginn der Verfolgung deutscher Juden. Sie waren ein widerlicher Ausbruch von Gewalt nach langjähriger Diskriminierung, Belästigung und Feindseligkeit. Sie ließen die unaussprechlichen Verbrechen der Shoah ahnen, die einige Jahre später von meinen Landsleuten begangen wurden. Und sie sind eine starke Warnung für unsere Zeit. Ich bin dankbar, dass das jüdische Leben in Deutschland wieder floriert. Aber ich schäme mich, dass Juden sich nicht sicher fühlen, wenn sie auf der Straße eine Kippa tragen. Ich schäme mich, dass jüdische Kultstätten Schutz brauchen. Ich schäme mich, dass nur eine schwere Holztür im vergangenen Jahr einen tödlichen Angriff auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur verhindert hat. “

Präsident Alexander van der Bellen: „Das Pogrom in der Nacht des 9. November 1938 war der erste grausame Höhepunkt der wachsenden antijüdischen Gewalt des Nationalsozialismus. Die rassistische Ideologie der Nazis erreichte eine neue, schreckliche Intensität. Und es machte auf surrealste und herzzerreißendste Weise deutlich, wie jüdische Österreicher, unsere Mitbürger, ihrer grundlegendsten Bürgerrechte und -freiheiten beraubt wurden. Allein in Wien wurden 42 Synagogen niedergebrannt oder zerstört. Tausende Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert. Über 6500 jüdische Österreicher wurden inhaftiert, 4000 von ihnen in das Konzentrationslager Dachau geschickt. Die Österreicher erinnern sich heute in Reue und Schande an diese Verbrechen. Wir, die wir nach der Shoah geboren wurden, gestehen: Österreich trägt eine Mitverantwortung für die Shoah.“

Die Staatspräsidenten von Israel, Deutschland und Österreich haben gemeinsam ein Video zum Gedenken an die “Kristallnacht” veröffentlicht. Quelle: GPO

Bei der Gedenkveranstaltung in seiner Residenz in Jerusalem unterstrich Reuven Rivlin, das Virus von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sei zäher als das Coronavirus: „Es ändert seine Form, geht in Deckung und droht durch jeden Riss wieder auszubrechen. Aber es kann und muss auch einen Impfstoff dafür geben: Bildung, Erklärungen, Lernen und Verantwortung übernehmen. Wie Wissenschaftler in Labors und Forschungsinstituten tragen wir, die Führer der Welt, die Verantwortung dafür, einen entschlossenen und kompromisslosen Angriff auf alle Ausbrüche von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu starten .“

Bild: Auf die Mauern der Jerusalemer Altstadt wurden Erinnerungen an die „Kristallnacht“ und Botschaften der Hoffnung projiziert. Foto: Jonatan Sindel / Flash 90

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