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Sechs Stunden neben einer Leiche: Hospitäler überlastet, Lockdown verschärft

JERUSALEM, 06.01.2020 (TM) – Shalom Piniya (44) ist Rechtsanwalt in der Wüstenstadt Beersheva. Er ist an Covid-19 erkrankt und wird auf der Corona-Station des Soroka-Hospitals behandelt. Er berichtete im israelischen Fernsehen, dass er fast sechs Stunden neben einer Leiche lag. Das überlastete Personal habe nicht bemerkt, dass der Patient im Nachbarbett gestorben war. Piniya hielt zudem fest, wie ein älterer Mann im Patientenzimmer stürzte, sich selbst mit Urin einnässte und mehrfach um Hilfe rief. Lange Zeit sei niemand gekommen, um sich um ihn zu kümmern. 

Piniya sagte, er erzähle seine Geschichte, damit die Leute sehen könnten, wie überfordert die Krankenhäuser seien. Er bat die Israelis, das Virus ernst zu nehmen: „Seid vorsichtig! Ich war ein Löwe, bevor ich hier reinkam. Jetzt bin ich wie ein kleiner Hase, der von diesem Virus gebrochen wurde“, erklärte er. „Unterschätzt es nicht.“

Notrufe der Krankenhäuser

Das Krankenhaus erklärte zu den Vorfällen: „Die Coronavirus-Station behandelt derzeit Dutzende von Patienten und die medizinischen Teams überwachen sie 24 Stunden am Tag.“ Bevor sie eingreifen könnten, müssten die Teams die Schutzkleidung anlegen, was einige Minuten dauere. Die Leitungen anderer israelischer Hospitäler warnten ebenfalls: Sie seien kurz davor, von neuen und sehr schweren Covid-19-Fällen überwältigt zu werden. In Israel gibt es derzeit über 59.000 Erkrankte, 824 Patienten sind in ernstem Zustand. 

Landesweiter strenger Lockdown

Die israelische Regierung reagierte und zog am Dienstagabend die Notbremse. Sie beschloss einen landesweiten strengen Lockdown, der in der Nacht zum Freitag beginnt und zwei Wochen dauern soll. Alle Schulen werden geschlossen, ebenso alle nicht lebensnotwendigen Firmen. In geschlossenen Räumen dürfen sich höchstens fünf, im Freien zehn Menschen treffen. Die Israelis dürfen sich nicht weiter als einen Kilometer von ihren Wohnungen entfernen. Das Betreten fremder Wohnungen ist verboten. Auslandsflüge werden in den beiden Wochen des Stillstands untersagt; Ausnahmen gibt es nur für diejenigen, die bereits Tickets für Flüge gekauft haben.

Regierungschef Netanjahu machte die neu mutierte, „britische“ Variante des Virus für den boomenden Anstieg der Infektionen in Israel verantwortlich. „Wir befinden uns mitten in einer globalen Pandemie, die sich mit der britischen Mutation mit Rekordgeschwindigkeit ausbreitet. Es hat Israel erreicht und viele Menschenleben gefordert.“

Israel hatte bereits in der vergangenen Woche den dritten nationalen Lockdown begonnen. Der zeigte jedoch wenig Wirkung, da Schulen und Arbeitsplätze weitgehend offen blieben und die Polizei wenig unternahm, um die Einhaltung der Regeln durchzusetzen. Dies soll sich nun ändern. 

Widerstand von Rabbinern

Widerstand gibt es von einigen ultraorthodoxen Rabbinern, die darauf bestehern, dass die Thora-Schulen geöffnet bleiben müssten. Auch Ladenbesitzer und Restaurantinhaber kündigten neue Proteste an. Sie stehen nach den immer wieder neu verhängten Schließungen vor dem finanziellen Ruin.

Bild: Mitarbeiter des Sha’are-Zedek-Hospitals in Jerusalem betreuen einen schwer an Covid-19 erkrankten Patienten. Mehrere israelische Krankenhäuser haben bekannt gegeben, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht haben. Foto: Olivier Fitoussi/Flash90

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