Vierter Lockdown, Booster-Shots und Impfungen auf dem Schulhof – Bennetts Coronapolitik sorgt für Kontroversen
JERUSALEM, 24.08.2021 (NH) – Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Israel steigt rasant. Zuletzt wurden 9831 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet. Doch die Zahl der schweren Fälle verharrt bei rund 680. Gesundheitsbehörden und Regierungsbeamte haben darauf hingewiesen, dass fast alle Schwerkranken keine dritte Impfung erhalten hätten.
Dritte Impfung für über 40-Jährige
Israel begann am 30. Juli damit, die sogenannte Booster-Impfung an alle Bürger über 60 zu verabreichen. Seit Freitag können auch alle Personen über 40 Jahren, die seit mindestens fünf Monaten vollständig geimpft sind, Anspruch auf die dritte Impfung erheben. Die über 30-Jährigen sollen nun folgen. Mehr als eine Million Israelis haben bereits die Auffrischungs-Dosis des Covid-19-Impfstoffs erhalten. Israel kommt ebenso wie die USA der Bitte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nach, Impfdosen zu spenden, bevor sie für Drittimpfungen verwendet werden.
Bennett fordert Eltern auf, ihre Kinder impfen zu lassen
Angesichts der rasant steigenden Inzidenzzahlen treibt die israelische Regierung jedoch nicht nur die Drittimpfung voran, sondern drängt auch Schüler, sich vor dem Ende der Schulferien impfen zu lassen. Bisher haben rund 41% der Schüler zwischen 12 und 15 Jahren mindestens eine Dosis des Impfstoffs erhalten und 79% der Schüler zwischen 16 und 19 Jahren. In Israel werden grundsätzlich Kinder schon mit zwölf Jahren geimpft. Doch in Ausnahmefällen kann die Covid-Impfung sogar schon Kindern ab fünf Jahren verabreicht werden.
Schulen sollen wie geplant Anfang September öffnen
Bislang wurde ein verspäteter Schulanfang zum 1. Oktober heiß diskutiert, doch nun entschied das Corona-Kabinett, das Schuljahr wie geplant zu eröffnen. Demnach werden die Schüler nach einer zweimonatigen Sommerpause pünktlich zum 1. September wieder zur Schule zurückkehren. Zu Beginn der Woche startete das „Corona-Antikörpertest“-Projekt, bei dem etwa 1,6 Millionen Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren mit einem Bluttest auf Antikörper getestet werden. Wer Antikörper nachweisen kann, muss bei einem Erstkontakt mit einer am Virus erkrankten Person nicht in Quarantäne. Außerdem sollen sich alle israelischen Schüler vor dem Schulbeginn zu Hause einem Schnelltest unterziehen.
Streit um Impfungen an Schulen
Derzeit diskutieren das Ministerium für Bildung und das Gesundheitsministerium über die Rahmenbedingungen für die Impfung von Minderjährigen an Schulen. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Raz Nazari machte deutlich, dass überhaupt keine Notwendigkeit für einen Regierungsbeschluss bestehe. Eine Anordnung des Generaldirektors des Gesundheitsministeriums genüge, um Impfungen während der Schulzeit durchzuführen. Diese Anordnung ist bereits unterzeichnet worden. Für einen Schulhof-Shot sei lediglich die Zustimmung der Eltern erforderlich.
Vierter Lockdown derzeit keine Option
Würden die Planungen des Corona-Kabinetts so umgesetzt, „sieht es so aus, als ob ein vierter Lockdown vom Tisch wäre“, so hochrangige Kabinettsbeamte. „Die ersten Corona-Wellen haben uns 200 Tage Schließungen, den Verlust eines Schuljahres für unsere Kinder und schwere wirtschaftliche Schäden gekostet“, unterstrich Premierminister Naftali Bennett. „Wir wollen nicht an diesen Punkt zurückkehren. Mein Ziel ist es, Unternehmen, Bildung und Kultur neben dem Coronavirus zu erhalten und Schließungen so weit wie möglich zu vermeiden.“ Er erinnerte an das Ausmaß der wirtschaftlichen Einbußen , die Israel aufgrund vorheriger Lockdowns eingefahren hat: „Die drei Lockdowns haben bisher zu einem Verlust von 200 Milliarden Schekel geführt.“. Ob sich Bennetts Corona-Strategie als wirksam erweist oder Israel Anfang September vor Beginn der jüdischen Feiertage ein viertes Mal abgeriegelt wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Titelbild: Ein kleines israelisches Mädchen mit Gesichtsmaske. Bald sollen Kinder ab 12 schon auf dem Schulhof geimpft werden. Foto: Olivier Fitoussi / Flash 90