
Iran gibt Israel Schuld an Eskalation des innenpolitischen Konflikts im Libanon
JERUSALEM, 17.10.2021 (DK) – Ob Medikamente, Wasser oder Öl – im Libanon gelten lebenswichtige Ressourcen derzeit als Luxusgüter. Die Gemüter sind aufgeheizt und die Stimmung in Beirut aufs Äußerste gespannt. In der vergangenen Woche war es in der Hauptstadt zu den schwersten Gefechten seit Jahren gekommen. Die Auseinandersetzungen drehen sich um den Streit über die schleppende Aufklärung der Explosion im Hafen Beiruts vergangenes Jahr. Teile der Hauptstadt wurden bei der Katastrophe zerstört und 218 Menschen kamen ums Leben. Hunderttausende verloren ihr Obdach. Als der christliche Ermittlungsrichter Tarek Bitar die Rolle der Hisbollah bei der Explosion hinterfragte, erschien die Terrormiliz mit einem Aufgebot wütender Demonstranten vor dem Justizpalast. Die Eskalation der Gewalt, welche daraufhin folgte, wird allgemein als innenpolitischer Konflikt verstanden. Doch Teheran will mehr dahinter sehen und bezichtigt Israel, mit den Angreifern unter einer Decke zu stecken.
Iran: Israel unterstützt Angriffe auf Demonstranten
Während der Libanon im Chaos versinkt, will der Iran die Situation für seine eigenen politischen Zwecke nutzen. Das Mullah-Regime unterstützt die schiitische Terrororganisation Hisbollah, die derzeit stärkste Militärmacht im Libanon. Als erklärter Erzfeind der Miliz gilt die christliche Fraktion im libanesischen Parlament, zu der auch Richter Bitar gehört. Von diesem will sich die Hisbollah nicht die Stirn bieten lassen, denn sie fürchtet, an Popularität zu verlieren. Dass ihre Demonstranten von unbekannten Angreifern ins Visier genommen wurden, schreit für die Hisbollah nun nach Rache. Die Anführer der Terrorgruppe beschuldigen christliche Kämpfer, das Feuer eröffnet zu haben. Teheran geht aber noch einen Schritt weiter: Israel habe die Angriffe auf die Demonstranten unterstützt.
Ein staatlicher Fernsehkanal beschrieb die Schießereien am Donnerstag als einen von Israel unterstützten Aufruhr. „Der Iran glaubt daran, dass das Volk, die Regierung, die Armee und der Widerstand im Libanon die von der zionistischen Einheit unterstützten Aufstände erfolgreich überwinden werden“, so der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Saeed Khatibzadeh. Für die Anschuldigung wurden keine Beweise erbracht.
Das Narrativ hat in den Reihen von Hisbollah-Anhängern bereits Fuß gefasst. Sie sehen einen christlichen Warlord aus Bürgerkriegs-Zeiten als den Drahtzieher hinter der Attacke. Samir Geagea heißt der Anführer der „Forces Libanaises“. Obwohl es sich dabei um eine christliche Miliz handelt, wird Geagea als „Zionist“ betitelt – so kommt der Hass auf Israel selbst bei dem inländischen Konflikt an die Oberfläche.
Libanon lehnt israelisches Hilfsangebot ab
Die Menschen im Libanon fürchten nach den jüngsten Ereignissen den Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs. Neben der instabilen politischen Lage ist es vor allem die schwere Wirtschaftskrise, die zu den Spannungen beiträgt. Den Vereinten Nationen zufolge leben drei Viertel aller Libanesen in Armut. Für ein wenig Benzin stehen Menschen stundenlang Schlange. Die Lebensmittelkosten sind inzwischen so hoch, dass der durchschnittliche Bürger es sich kaum noch leisten kann, sich ausgewogen zu ernähren. Israel hat dem Libanon offiziell humanitäre Hilfe angeboten, doch das Land war nicht auf das Angebot eingegangen.
Bild: Die politische Lage im Libanon war bereits vor der Hafenexplosion instabil. Proteste in Beirut im Jahr 2019. Quelle: Shahen Araboghlian/Wikimedia Commons