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Wurden Zeugen gegen Netanjahu illegal abgehört?

JERUSALEM, 17.02.2022 (MS) – Der Prozess gegen den ehemaligen Premierminister Netanjahu schlägt neue Wellen. Jetzt wird die Anklage beschuldigt, illegal Telefone von Zeugen gehackt zu haben. Die Polizei hatte eine gerichtliche Verfügung erhalten, Telefone bestimmter Zeugen zu hacken, um Informationen zu erhalten, aber die Anwälte Netanjahus behaupten, dass diese Hacks über die Vollmacht des richterlichen Beschlusses hinausgingen.

Auf wessen Seite steht die Polizei?

Netanjahus Anwälte halten die Polizei nicht für vertrauenswürdig, sie habe im Laufe des Verfahrens immer wieder ihre „illegalen Aktivitäten“ vor dem Gericht verheimlicht und nach Wegen gesucht, Netanjahu zu schaden.

Die Anklage hingegen kann keine illegalen Aktivitäten Seitens der Polizei erkennen, für sie bilden Informationen aus Telefonen von Zeugen eine wichtige Grundlage für den Prozess. Es sollen bisher insgesamt 1500 Handys von Personen durchsucht worden sein, die mit dem Fall Netanjahu in Zusammenhang stehen.

Die Likud-Partei, dessen Vorsitzender Benjamin Netanjahu weiterhin ist, hat für den heutigen Donnerstagabend eine Demonstration in Tel Aviv organisiert, die auf den „Hacking-Skandal“ im Fall Netanjahu  aufmerksam machen soll.

„Hier ist etwas Schreckliches passiert“, sagte Netanjahu in einem Video, das er zur Werbung für die Veranstaltung veröffentlichte. „Die Polizei hat israelische Bürger ausspioniert, aus vielen Gründen, auch aus politischen. Wir wollen ein anderes Land – ein Land mit echter Rechtsstaatlichkeit und nicht ein Land der Unwahrheiten, Lügen und Vertuschungen.“

Korruption im Heiligen Land

Der wegen Korruption angeklagte Netanjahu wirft der Polizei vor, gegen ihn zu arbeiten und im Dienste seiner politischen Gegner zu stehen. Die Staatsanwaltschaft hat nach einer eigenen Untersuchung der Hacking-Anschuldigungen zwar ebenfalls „Unregelmäßigkeiten“ erkannt, aber sieht darin keine Beeinträchtigung des Prozesses.

Netanjahu selbst und die meisten Beobachter halten den Prozess gegen Netanjahu für einen politischen Prozess, dessen einziger Zweck war, ihn von seinem Amt als Premierminister zu stürzen. Während der vierten und fünften Amtszeit Netanjahus wurde eine Reihe von Korruptionsskandalen untersucht, in die er und seine engen politischen Verbündeten direkt verwickelt gewesen sein sollen. Die israelische Polizei begann im Dezember 2016 mit Ermittlungen gegen Netanjahu. Als Ergebnis der Ermittlungen empfahl die Polizei, Anklage gegen Netanjahu zu erheben. Am 21. November 2019 wurde Netanjahu offiziell wegen Untreue, Annahme von Bestechungsgeldern und Betrug angeklagt. Infolge der Anklage war Netanjahu gesetzlich verpflichtet, seine Ministerämter mit Ausnahme des Ministerpräsidenten abzugeben. Der Prozess gegen Netanjahu vor dem Bezirksgericht Jerusalem begann am 24. Mai 2020. Die Zeugenvernehmungen begannen am 5. April 2021 und man kann sicher sein, dass der Prozess noch einige Jahre weitergeht, wenn zu keiner außergerichtlichen Einigung im Strafverfahren kommt.

Titelbild: Netanjahu hält sich für ein Opfer seiner politischen Gegner. Sie werfen ihm Korruption vor, aber nutzen selbst illegale Mittel, um ihn anzugreifen. Olivier Fitoussi/Flash90

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