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Helden ohne Umhang (36) – Rona Ramon: Mutige Aktivistin, Vorbild und Astronautenwitwe

von Nadine Haim Gani

JERUSALEM, 18.03.2022 – Rona Ramon wurde am 16. April 1964 in Kirijat Ono, östlich von Tel Aviv, geboren. Ihre Eltern waren unter dem Schutz der „Jugend-Alijah“ aus der Türkei eingewandert. Damit erfüllten sich die Eltern ihren lange ersehnten zionistischen Traum. Rona wuchs in einer Familie auf, in der die Werte des Zionismus und die Liebe zum Land dominierten. Nach ihrem Schulabschluss wurde Rona zum israelischen Militär rekrutiert und diente dort als Sanitäterin bei den Fallschirmjägern. Im Anschluss an ihren erfolgreichen Armeedienst, schrieb sie sich für ein Studium am „Wingate Institute of Physical Education“ ein und studierte Sportlehramt und Physiotherapie.

Ilan und Rona – die große Liebe

Ihre erste große Liebe lernte sie während ihres Studiums kennen. Die damals 22-Jährige traf auf den jungen Kampfpiloten Ilan Ramon und für die beiden war es Liebe auf den ersten Blick. Rona und Ilan heirateten im Jahr 1986 und gründeten eine Familie. Das glückliche Paar hatte drei Söhne und eine Tochter – Assaf, Tal, Yiftach und Noa. Während seines glorreichen Dienstes in der israelischen Luftwaffe, Hunderten von Kampfeinsätzen und geheimen Missionen wurde Ronas Ehemann zum ersten israelischen Astronauten bestimmt.

1998 zog Familie Ramon in die Vereinigten Staaten und ließ sich in Houston nieder. Rona und die Kinder bestärkten den großen Traum ihres Ehemannes und Vaters. Sie unterstützten ihn unaufhörlich während des langwierigen NASA-Trainingsprozesses. Rona half ihrem Ilan bei der Auswahl der persönlichen Gegenstände, die er zur Columbia-Shuttle Mission bei sich führen durfte. Rona erklärte in einem ihrer Vorträge: „Es war sehr wichtig für uns, unseren persönlichen Erfolg zu einem nationalen Triumph zu machen und die breite Bevölkerung an der wunderbaren Mission im Weltall teilhaben zu lassen.“ So beschlossen sie gemeinsam, eine Reihe von Gegenständen in den Weltraum mit zu nehmen, die für das Ehepaar Ramon die unglaubliche Wiedergeburt Israels symbolisierten: die Unabhängigkeitserklärung des jüdischen Staates, eine kleine Thorarolle, die Prof. Joachim Josef erhielt, als er als 13-jähriges jüdisches Kind im Konzentrationslager Bergen-Belsen seine Bar Mitzwah feierte und zum ersten Mal aus der Thora las, eine Mesusa, die Flagge der israelischen Luftwaffe und natürlich auch die blau-weiße israelische Fahne.

Rona Ramon entschied sich, das Thema Verlustbewältigung zu studieren. Sie machte einen Master-Abschluss in ganzheitlicher Therapie an der Lesley-Universtität in der USA. Rona hielt Seminare, Workshops und Einzeltherapie zum Thema Krisenbewältigung. Sie pflegte sich jede Woche mit Familien zu treffen, die ihre Liebsten durch schlimme Tragödien verloren hatten. Rona schenkte ihnen Liebe und Kraft, um mit dem tragischen Verlust fertig zu werden. Wir sehr ihr das therapeutische Wissen in Zukunft helfen sollte, hatte sich Rona niemals ausgemalt.

Das Gedenken durch Bildung erhalten

Im Februar 2003 zerbrach der Traum einer Nation und das schlimmste Horrorszenario wurde wahr: Ilan stürzte mit der Space-Shuttle Crew ab. Die Columbia zerschellte bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre. Das kleine jüdische Land fiel in eine Trauerstarre. Es trauerte gemeinsam mit Rona und ihren vier Kindern um den unbeschreiblichen Verlust des Nationalhelden und Pioniers. 

Die junge Witwe zog mit ihren Kindern zurück nach Israel. Die damals 38-Jährige nahm sich vor, an der großen Trauer um ihren geliebten Ehemann nicht zu zerbrechen. Sie wählte das Leben. Ein zionistisches Wertedenken erfüllte die junge Frau.

Trotz des schweren Schicksalsschlages engagierte sich Rona weiterhin für die israelische Raumfahrt und begann 2008 mit der Arbeit an der Ramon-Siftung im israelischen Ministerium für Wissenschaften. Rona zog sich nach dem Tod ihres Mannes weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Innerhalb ihrer Stiftung widmete sie sich einer breiten Reihe von Sozial- und Bildungsprojekten, darunter auch die bekannte Weltraumforschungs-Olympiade. Die Ramon-Stiftung leitete 15 Wissenschaftszentren und vergab zahlreiche Stipendien an herausragende Forscher. Rona Ramon versuchte immer wieder deutlich zu machen, dass sie kein Interesse an kalten Gedenktafeln aus Stein habe, sondern das Gedenken ihres Liebsten in der Bildung aufrecht erhalten wolle.

Darüber hinaus rief Rona zusammen mit Philanthropen und in Zusammenarbeit mit der israelischen Raumfahrtbehörde die internationale „Ilan Ramon Conference“ ins Leben. Die Versammlung wurde in Windeseile zum Magneten für die Raumfahrtindustrie in Israel. Gäste und Besucher aus weltweiten Raumfahrtagenturen, Investoren und große Unternehmen knüpfen über die Konferenz geschäftliche und technologische Kontakte mit der israelischen Raumfahrtindustrie.

Der ehemalige NASA-Administrator Charles Bolden (links) trifft sich am 24. Januar 2010 mit Shimon Peres und Rona Ramon in der Präsidentenresidenz in Jerusalem. Im Jahr zuvor war Assaf bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
Foto: Miriam Alster/Flash90

Eine Katastrophe wiederholt sich

Ronas Projekte ziehen jedes Jahr internationale Astronauten an, um die Ramon-Stiftung zu besuchen und zu ehren. So besuchen die Astronauten auch Schulen in der Peripherie Israels und inspirieren Kinder aus dem ganzen Land, groß zu träumen. Rona war auch Teil der Gründung der israelischen „Space-Woche“. Jedes Jahr nehmen Zehntausende Kinder an dem Weltraum-Happening teil.

Im September 2009, wenige Tage vor Rosch Ha’Schana, dem jüdischen Jahreswechsel, rückte Rona erneut ungewollt ins Rampenlicht. Ein weiterer Schicksalsschlag erschütterte das Leben der Familie Ramon. Assaf, Ronas ältester Sohn, wollte in die Fußstapfen seines geliebten Vaters treten und erfüllte sich seinen Traum als Kampfpilot. Assaf wurde zu einem herausragenden Kampfpiloten der israelischen Luftwaffe. Seine Pilotenauszeichnung erhielt der junge Mann vom damaligen Präsidenten Shimon Peres. Doch nur sechs Jahre nach der schweren Weltraum-Tragödie kam der 21-jährige Pilot bei einem Routine-Trainingsflug ums Leben.

Die erneute Tragödie der Familie Ramon schmerzte die ganze Nation. Doch die Stärke und der Mut Ronas ließen sie zum Vorbild für viele werden. Nur ein Jahr nach dem Tod ihres Sohnes eröffnete Rona die Ramon-Stiftung als Präsidentin der Organisation. Rona förderte auf ihre Weise akademische Leistungen und soziales Engagement unter Jugendlichen – im Gedenken an Ilan und Assaf.

Lebe deinen Traum“

Erst lange Zeit nach Ilans Tod nahm Rona den Mut zusammen, sein persönliches Tagebuch zu lesen. Sie stieß auf einen besonderen Satz, der ihr die Kraft gab, auch diesen grausamen Schlag zu überwinden und die Gedenken ihrer Liebsten aufrecht zu erhalten: „Meine Geschwister und ich wurden dazu erzogen, unsere Träume zu verwirklichen. Unsere Eltern glaubten daran, dass jeder seine eigene Berufung entdecken sollte.“

Laut Rona war es das Größte im Leben, dass ihre Kinder danach strebten, ihre Träume zu finden und sie in Israel zu verwirklichen, sei es in der Kunst, der Technologie oder in der Luftfahrt. Der zionistische Traum, der bereits Ronas Kindheit dominierte, lebte in ihren Kindern weiter. Ronas Traum wurde zu ihrer Lebensaufgabe. Sie wollte israelische Kinder inspirieren und ihnen genug Selbstbewusstsein übermitteln, das ihnen im späteren Leben hilft, ihre Träume zu verwirklichen und zu leben. „Es gibt nichts, was mein Herz mehr wärmt, als zu sehen, wie Piloten der israelischen Luftwaffe sich freiwillig melden und Teenager und Kinder unterstützen, die ein liebes Wort und Inspiration benötigen”, erklärte Rona in einem Interview dem israelischen Fernsehen. Über 100.000 Jugendliche nahmen jährlich an den von ihr initiierten Aktivitäten teil.

2013 veröffentlichte Rona ihr Buch „Offener Himmel“. Das Buch (in hebräischer Sprache) enthielt Auszüge aus den Tagebüchern von Ilan und Assaf, Briefe, persönliche Erinnerungen und Fotografien. Rona versuchte in ihrem Buch den körperlichen, seelischen und geistigen Trauerprozess zu erklären. Für sie war es wichtig, nicht in der Dunkelheit des Verlustes zu versinken. Rona versuchte, mit ihren Schicksalsschlägen zu wachsen. Sie hoffte, so andere zu inspirieren und ihnen Hoffnung zu schenken.

Ein Staat trauert 

Im Jahr 2016 wurde Rona auserwählt, eine der zwölf Fackeln bei der feierlichen Staatszeremonie des israelischen 68. Unabhängigkeitstages auf dem Herzlberg in Jerusalem zu entzünden. Die Feierlichkeit trug den Namen „Israelisches Heldentum“ und Rona erhielt den bedeutenden Ehrentitel „Israelische Weltraumbotschafterin“.

Rona mit dem damaligen Verkehrsminister Israel Katz. Am 9. Mai 2013 nahm Rona teil am feierlichen Spatenstich für den neuen internationalen Flughafen bei Eilat, der den Namen „Ilan und Assaf Ramon Airport“ erhielt. Rona war damals unglaublich berührt.
Foto: Flash90

Am 21 Januar 2019 wurde der „Ilan und Assaf Ramon-Flughafen“ im Süden Israels eröffnet. Der 71. Unabhängigkeitstag Israels im gleichen Jahr sollte auch für Rona ein besonderes Datum werden. Geplant war, sie mit dem Israel-Preis für ihr Lebenswerk und ihren herausragenden sozialen Dienst auszuzeichnen. Doch Rona hatte nicht die Möglichkeit, den beiden Zeremonien beizuwohnen. Sie starb am 17. Dezember 2018 friedlich im Kreise ihrer Familie und engen Freunden an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ihren letzten langjährigen Kampf hatte die Heldin verloren.

Ein Land trauerte, israelische Politiker und Präsidenten erwiesen Rona die letzte Ehre. Selbst die NASA schickte Beileidsbekundungen an die Hinterbliebenen und machte ihren Schmerz über den Verlust der nur 54-Jährigen deutlich.

Rona Ramon war die Heldin der Herzen. Sie war trotz aller Schicksalsschläge und Tragödien in ihrem Leben eine mutige Frau und tapfere Aktivistin. Sie schenkte Hoffnung und initiierte Träume für die junge Generation Israels.

Der damalige Premierminister Benjamin Netanjahu und Verkehrsminister Israel Katz nehmen am 21. Januar 2019 an der offiziellen Eröffnungszeremonie des neuen Flughafens teil. Tal, Noa und Yiftach Ramon schneiden gemeinsam mit den Politikern das Band zur Einweihung durch. Rona konnte den Moment leider nicht mehr miterleben. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

„Ilan und Assaf haben die Himmel berührt, aber Rona berührte unsere Herzen. Wir werden nach oben in den Himmel schauen und nach euch suchen – nach drei hellen Sternen.“ – Präsident Reuven Rivlin, Dezember 2018

Titelbild: Rona Ramon, die Witwe des ersten israelischen Astronauten Ilan Ramon, nimmt am 15. Oktober 2007 an einer Konferenz in der „Weltraum-Schule“ in Jerusalem teil. Foto: Flash90

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