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Helden ohne Umhang (35) – Ilan Ramon: Unvergessener Kampfpilot, Pionier und Astronaut

von Nadine Haim Gani

JERUSALEM, 11.03.2022 – Ilan Ramon war der wohl begabteste Kampfpilot der israelischen Luftwaffe. Er ging als erster israelischer Astronaut in die Geschichte des jüdischen Staates ein. Ilan wurde von seinem Umfeld für seinen optimistischen, liebevollen und zuvorkommenden Charakter geliebt. Mit seiner freundlichen Natur zog der Nationalheld eine ganze Nation in seinen Bann. Mit nur 48 Jahren verstarb er als Astronaut bei der Raumfähren-Katastophe der „Columbia“.

Ilan Ramon wurde am 20. Juni 1954 in Ramat Gan, östlich von Tel Aviv, mit dem Namen Ilan Wolfferman geboren. Seine Eltern Eliezer und Tonya Wolfferman waren beide Holocaustüberlebende. Eliezer wurde in Deutschland geboren, doch flüchtete die Familie 1935 rechtzeitig vor dem Naziregime. Tonya hatte die Schrecken Auschwitz überlebt. Im Alter von sechs Jahren zog die Familie in die südliche Wüstenstadt Beersheba. Der kleine Ilan verbrachte Stunden mit seinem Vater in der Negevwüste. Seine Liebe für die rote Einöde war unbeschreiblich.

Militär- und Kämpferkarriere

1972 bestand Ilan mit Bravour seinen Schulabschluss. Noch im gleichen Jahr trat er in den Dienst der israelischen Luftstreitkräfte, kurz IAF (Israel Air Force). Nur ein Jahr später nahm er in einer Militäreinheit für elektronische Kriegsführung am Yom Kippur Krieg teil. Ilan begann einen Kampfpiloten-Kurs an der Flugakademie der IAF, doch aufgrund einer schweren Handverletzung beendete er seinen ersten Kurs nicht.

Dennoch gab der ehrgeizige Soldat nicht auf. Zwei Jahre später wiederholte er das Studium. Er schloss den zweiten Kurs mit Auszeichnung ab. Zu diesem Zeitpunkt änderte er seinen europäischen Familiennamen Wolfferman in den israelischen Namen „Ramon“ um. In der IAF war der Namenswechsel ein gern gesehener Schritt. Ilan diente zunächst als Skyhawk-Pilot im 102. Geschwader der israelischen Luftwaffe und später als Eagle-Pilot im 253. Geschwader auf einem Luftwaffenstützpunkt im Sinai.

Ilan Ramon vor seiner F-16. Mehr als 1.000 Flugstunden zählte der Kampfpilot alleine mit seiner F-16. Foto: Flash90

Flugzeugabsturz

Ilan war einer der ersten israelischen Kampfpiloten, die 1980 in die Vereinigten Staaten reisten, um Flugkünste mit der neuartigen und technologisch fortgeschrittenen F-16 zu erlernen. Später wurde der F-16 Kampfjet in der israelischen Luftwaffe aufgenommen.

Ramon verfügte über unglaubliche operative Kampferfahrung und wurde zu einem der angesehensten Piloten der Luftwaffe des jüdischen Staates. 1981 nahm er bei der israelischen Angriffsoperation „Operah“ und der Bombardierung des unvollendeten Atomreaktors „Osiraq“ im Irak teil. llan war an der Planung der gewagten Mission beteiligt und war mit nur 26 Jahren der jüngste Kämpfer unter den beteiligten Piloten. Er flog als letzter in der Angriffsstruktur zu dem Ort, der damals als besonders gefährlich galt. Mit unglaublichem Mut machte es sich Ilan zum Lebensinhalt, nicht nur seine Familie und sein Volk zu schützen, sondern auch andere Nationen. Ein Jahr später kämpfte er für die IAF im ersten Libanonkrieg. Ilan nahm an vielen weiteren geheimen Missionen teil, von denen niemand wohl je erfahren wird.

Der Kampfpilot hat mehr als 3.000 Flugstunden auf den Skyhawk Eagle- und Phantom-Flugzeugen und mehr als 1.000 Flugstunden auf der F-16 gesammelt. Am 20. Januar 1982 löste Ramon bei einer Kollision zwischen zwei israelischen F-16 Düsenjets den Schleudersitz aus und konnte so sein Flugzeug rechtzeitig verlassen. Beide Jets stürzten ab.

Nach der Entlassung aus dem Militär widmete sich der junge Mann seinem Studium und erwarb einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik und Computertechnik an der Universität in Tel Aviv. Mit Beendigung seines Studiums trat er dem Entwicklungsteam des Lioness-Flugzeugs bei. 1988 kehrte er zu den Streitkräften der israelischen Luftwaffe zurück und diente in einer Reihe von leitenden Positionen, darunter als Kommandeur der F-16 Geschwaders der IAF. 1992 wurde Ilan als Chef der Luftwaffenabteilung ins Materialbeschaffungsamt versetzt. Mit seiner Beförderung zum Oberst diente der Kampfpilot 1994 vier Jahre lang als Leiter der Waffenentwicklung.

Ilan heiratete 1986 seine große Liebe Rona und gemeinsam bekam das Paar vier Kinder. Ilan galt als liebevoller Ehemann und Vater.

Das Gemälde „Mondlandschaft“ von Petr Ginz begleitete den Astronauten auf seiner Mission mit ins Weltall. Der damals 14-Jährige zeichnete im KZ den Mond mit Blick auf den Erdball. Zuvor hatte sich Ilan an die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gewendet, für ihn einen passenden Gegenstand zur Verfügung zu stellen. Foto: Public Domain

Israels erster Astronaut

Zusammen mit einem weiteren Kollegen wurde Ilan 1997 ausgewählt, an einer gemeinsamen Space-Shuttle-Mission der israelischen Raumfahrtbehörde und der NASA teilzunehmen. Gesucht wurden studierte Kommandeure der IAF mit technischem und wissenschaftlichem Fachwissen. 1998 begannen die beiden israelischen Kampfpiloten zusammen mit amerikanischen Astronauten das Training im Johnson Space Center der NASA in Texas.

Im Herbst 2000 fiel schließlich die Wahl auf Ilan Ramon. Als Ilan die Nachricht bekam, dass er einer der Auserwählten sein sollte, die mit dem Shuttle-Flug STS-107 der NASA ins Weltall reisen würden, war seine Freude unbeschreiblich.

Nach mehrfachen Aufschüben hob das älteste weltraumtaugliche Shuttle der NASA, die Raumfähre Columbia, am 16. Januar 2003 zu ihrer 28. Mission ab. Vom Kennedy Space Center aus starteten sieben Astronauten, sechs Amerikaner und der Israeli Ramon. Ihre Mission war es, Experimente im Weltraum in einer Vielzahl von Bereichen durchzuführen, von denen erwartet wurde, dass sie Wissenschaftlern auf der ganzen Welt wertvolle Informationen liefern würden. Ilan Ramon führte zwei Experimente durch. Eines der Experimente war die „Meidex“ – eine israelische Studie zum Klimawandel, die zum ersten Mal Staubstürme und deren Einfluss auf die globale Erderwärmung untersuchte. Dabei wurden auch Blitze in unterschiedlichen Höhen dokumentiert und „Blitzelfen“ studiert. Bei den sogenannten „Blitzelfen“ handelt es sich um eine rötliche elektrische Aura, die bei Gewittern über den Blitzen aufleuchtet. Bei dem zweiten Experiment drehte es sich um den „Chemischen Garten“, der von israelischen Schülern entworfen wurde, um das Kristallwachstum in der Schwerelosigkeit zu untersuchen.

Das Grab des geliebten Astronauten in der jüdischen Siedlung Nahalal. Foto: Public Domain

Zweite Generation des Holocausts im Weltraum

Mit der blau-weißen Fahne des jüdischen Staates, der Unabhängigkeitserklärung Israels, einem Kidush-Becher und koscherem Proviant, war es dem stolzen Astronauten wichtig, sein Land und seinen jüdischen Glauben im Weltraum zu vertreten. Doch das waren nicht alle persönlichen Gegenstände des 48-Jährigen. Der Astronaut nahm eine Mesusa, ein Gemälde und eine winzige Thora mit auf seine Mission. Das Kunstwerk „Mondlandschaft“ war von dem 14-jährigen Petr Ginz Im KZ Theresienstadt gemalt worden. Der jüdische Junge wurde 1944 im Alter von 16 Jahren ermordet.

Die kleine Heilige Schrift war zum damaligen Zeitpunkt über 60 Jahre alt. Sie war ein Geschenk des Oberrabbiners aus Amsterdam an einen kleinen Jungen im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ilan erklärte, dass er mit seinem Flug ins All für das jüdische Volk Geschichte schreibe. „Wer hätte vor 100 Jahren gedacht, dass wir einmal hier herkommen würden“, sagte Ilan bei einem Interview aus der Columbia. Vor seinem Flug traf sich der Astronaut mit verschiedenen Holocaustüberlebenden und für sie wurde mit Ilans Flug ein Traum war.

Doch hatte der bescheidene und fröhliche Astronaut nicht nur bedeutende Gegenstände mit sich in die Atmosphäre genommen. Er trug das Herz einer ganzen Nation bei sich.

Tragischer Absturz

Sechzehn Tage verbrachte das Team im Weltraum.

Mit Liedern wie „Imagine“ von John Lennon, das von den Crewmitgliedern im Weltall in verschiedene Sprachen übersetzt wurde, träumten die Astronauten von einer bessern Zukunft. Mit dem unbeschreiblichen Ausblick auf die Erdkugel blühte in den Herzen der Besatzung die Hoffnung auf eine friedliche Welt.

Am 1. Februar 2003 brach die Columbia bei ihrem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander. Anscheinend verbrannte das Shuttle durch einen Defekt in der Beschichtung des Flugobjekts. Die gesamte Besatzung der Columbia kam dabei ums Leben.

Ramons Leiche konnte vier Tage später identifiziert werden. Seine sterblichen Überreste wurden nach Israel überführt und am 11. Februar einer militärischen Zeremonie auf dem Friedhof der Nahalal-Siedlung begraben. Seine Frau Rona bat darum, während der Beerdigung das Lied „Imagine“ zu spielen, der gleiche Song, der während der Weltraummission gespielt wurde. Der tragische Tod von Ilan Ramon, dem ersten israelischen Astronauten und Nationalhelden des jüdischen Staates, hat sich als nationale Katastrophe in das Gedächtnis der Israelis gebrannt. Nach seinem Tod wurden verschiedene Programme, Wettbewerbe, Kongresse und Projekte unter seinem Namen eingeführt, um weitere Generationen an seinen mutigen Weg und seine wertvolle Arbeit zu erinnern.

Ilan verkörperte in seinem kurzen, aber mutigen Leben alles, wofür der jüdische Staat Israel steht: Ein mutiger Kämpfer, beherzter Pionier und geliebter Familienvater. Ilan Ramon hat sich für die Ewigkeit nicht nur in die Geschichtsbücher Israels, sondern auch in die Herzen einer ganzen Generation gebrannt.

Ilan Ramon ist für immer unser Held. Statt Umhang trug er Astronautenkleidung.

Ilan Ramon zu seiner Zeit als Oberst in der israelischen Luftwaffe. Viele seiner Einsätze werden für immer geheim bleiben. Foto: IDF Spokesperson

Titelbild: Ilan Ramon mit seinem orangenen Raumschiffanzug der NASA. Auf die blau-weiße Fahne Israels an seinem Oberarm war der Astronaut und Pionier besonders stolz. Foto: Public Domain

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