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Im Schatten steigender Gewalt auf israelischen Straßen: Polizei rekrutiert Sicherheitskräfte

JERUSALEM, 21.06.2022 (NH) – Die Kriminalität überflutet in den letzten Tagen die Straßen Israels. Die Morde sind jedoch nicht nur innerhalb der arabischen Gemeinschaft zu verzeichnen. Das Sicherheitsgefühl ist bei vielen Mitbürgern nicht mehr gegeben. Die Angst, das nächste Opfer oder eine weitere traurige Zahl in der steigenden Statistik zu werden, ist ständiger Begleiter vieler Israelis. Innerhalb einer Woche wurden 12 Menschenleben genommen, allein sieben davon seit letzten Donnerstag.

Blutiges Wochenende

Das Wochenende, das für viele Israelis bereits am Donnerstagabend beginnt, stand im Schatten blinder Gewalt und blutiger Morde. Am Donnerstagabend wurden zwei Cousins aus Nazareth bei einem Doppelmord leblos in ihrem Auto gefunden. Ein weiterer Mord ereignete sich in der Mittelmeerstadt Ashkelon, als am Freitagmorgen ein 24-jähriger Israeli erstochen wurde. Der Hintergrund der Tat habe keinen terroristischen Bezug. Drei weitere Morde wurden binnen weniger Stunden am Freitagabend im arabischen Sektor verzeichnet. Drei Männer im Alter von 25, 37 und 42 Jahren wurden im Norden des Landes an verschiedenen Tatorten erschossen.

Am Samstag wurde in der zentralisraelischen Stadt Ramat Gan ein 60-jähriger Familienvater kaltblütig getötet. Polizeiberichten zufolge ist die Tochter des Opfers im Begriff, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen. Als eine der Konsequenzen zog die junge Frau zurück zu ihren Eltern nach Ramat Gan. Am Schabbatmorgen suchte der Mörder, der Schwiegervater der Frau, das Elternhaus auf und erschoss das 60-jährige Opfer im Treppenhaus.

Polizeiversagen?

Nach der blutigen Flut landesweiter Mordverbrechen wird die Schuld bei der israelischen Polizei gesucht, die angeblich speziell die arabische Bevölkerung jahrelang vernachlässigt habe. Zwar bemühe sich die israelische Polizei im Kampf gegen die steigende Kriminalität, aber in den Augen der verängstigten Bürger seien Bemühungen allein nicht ausreichend. Der Minister für innere Sicherheit, Omer Bar-Lev, leitete nach den jüngsten Morden eine lange Reihe von Treffen mit hochrangigen Sicherheits- und Strafverfolgungsbeamten ein. “Unser Kampf gegen die Kriminalität ist effektiv und hat sich im vergangenen Jahr auch bewährt. Doch ist er langwierig, kompliziert und herausfordernd”, so Bar-Lev.

Israels Polizeichef Kobi Shabtai betonte, die Polizeieinheiten hätten weitere 50 Mordversuche erfolgreich vereitelt und versprach, in zusätzliche Ressourcen im Kampf gegen die Kriminalität zu investieren und weitere Sicherheitskräfte zu rekrutieren.

Im Schatten der Gewalt versuchte die israelische Polizei sich auch im Einsatz neuartiger Technologien. Angeblich haben sich israelische Sicherheitsbeamte auf der Suche nach Mechanismen, um versteckte Waffen und Sprengstoffe zu orten, auch an private Organisationen gewendet. Demnach soll das technologische Waffenortungsprogramm 10 Hektar offenes Gebiet am Tag absuchen können. Auch technologische Systeme, die Schusswaffen innerhalb von Häusern und Gebäuden scannen und erkennen können, steht auf der Polizei-Liste im Kampf gegen die steigende Gewalt im Land.

Traurige Bilanz weiblicher Mordopfer

Die Mehrheit der Opfer der letzten Tage stammen aus arabischen Gemeinden. Familienfehden, kriminelle Gruppen und Revierkämpfe haben in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg in diesem Sektor erlebt. Traurige Statistiken werden auch bei Gewalt gegen Frauen verzeichnet. Allein im vergangenen Monat wurden in Israel vier Frauen umgebracht. Drei davon fielen häuslicher Gewalt zum Opfer.

Eine Tragödie setzte in den vergangenen Tagen dem Land besonders zu: der Mord an der 23-jährigen zweifachen Mutter Sapir Nachum. Nachdem Hunderte Sicherheitskräfte und Freiwillige zwei Wochen nach der jungen Frau gesucht hatten, wurde ihre Leiche am vergangenen Montag gefunden. Als Hauptverdächtiger in dem Fall wird der Ex-Freund, ein arabischer Israeli aus Akko und Vater der beiden Kinder, angeklagt.

Berichten der “Israel Women Network” zufolge, einer Organisation für Frauenrechte im Land, werden jedes Jahr 20 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Die Hälfte der Toten habe ihre Mörder gekannt. Im vergangenen Jahr wurden 16 Frauen von ihrem Ehepartner oder einem Verwandten ermordet – im Jahr 2020 waren es 21 Fälle.

Titelbild: Polizei an dem Tatort, an dem am letzten Samstag ein 60-jähriger Mann im Treppenhaus in Ramat Gan erschossen wurde. Foto: Avshalom Sassoni / Flash90

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