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Terroristen entführen 17-jährigen Israeli aus örtlichem Krankenhaus, nachdem sie ihn von den Beatmungsgeräten trennten

JERUSALEM, 24.11.2022 (NH) – Israel hat traumatisierende Tage hinter sich. Neben zwei Bombenanschlägen in der Hauptstadt kämpfte der Sicherheitsapparat Israels um die Freilassung des Leichnams von Tiran Fero. Der 17-jährige Druse wurde bei einem Autounfall in der Nähe von Jenin schwer verletzt. Wenig später entführten 20 bewaffnete Kämpfer des Islamischen Dschihad den jungen Mann vor den Augen seiner machtlosen Eltern aus dem städtischen Krankenhaus in der Annahme, es handelte sich um einen israelischen Soldaten. Später wurde die Forderung gestellt, in Israel festgehaltene Leichen von Terroristen für den Körper Tirans freizulassen.

Israel und der UN-Sonderkoordinator für den Nahen Osten, Tor Wennedland, übten zwar großen Druck auf die Palästinensische Autonomiebehörde aus, den Vorfall umgehend zu beenden, dennoch bereitete sich das israelische Militär und Spezialeinheiten auf eine groß angelegte Rettungsoperation in Jenin vor. In der Nacht zum Donnerstag wurde der Leichnam seiner Familie in Israel zurückgebracht.

“Wir werden sterben, aber nicht aufgeben. Mit unserem Blut werden wir dich befreien, Tiran”, rufen die Demonstranten gestern Abend. Der unmenschliche Akt brachte die Gemüter der drusischen Israelis zum Kochen. Die drusische Gemeinschaft wäre bereit gewesen, den Leichnam selbst aus Jenin zu befreien. Quelle: TikTok Privat

Humanitäres Verbrechen: “Es war Mord”

Tiran Fero war am Dienstag bei einem Autounfall in der Nähe von Jenin schwer verletzt worden. Sanitäter brachten den jungen Mann in das Ibn-Sina-Krankenhaus in Jenin. Laut ersten Angaben der Familie war der 17-Jährige noch am Leben, als er aus dem Krankenhaus entführt wurde. Husam Fero, der Vater des Schülers, berichtet, dass sein Sohn mehrfach operiert und im Anschluss an ein Beatmungsgerät angeschlossen wurde. Tiran hätte sich in kritischem, aber stabilem Zustand befunden. Eddie Fero berichtet, dass 20 bewaffnete Männer das Krankenhaus gestürmt und auf der Suche nach dem jungen Israeli mehrfach in die Luft gefeuert hätten. “Sie schrien auf Arabisch und niemand traute sich, sie aufzuhalten”, so der Vater. “Sie trennten ihn von den lebenserhaltenden Maschinen und warfen ihn in ein Fahrzeug.”

Das israelische Außenministerium bestätigte die Aussage der Familie wenig später auf Twitter. “Dieses entsetzliche Verbrechen ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung”, so das Ministerium.

Die Familie des jungen Mannes hatte im Anschluss in den israelischen Medien darum gebeten, von einer gefährlichen Bergungsmission im feindlichen Jenin abzusehen. Tirans Onkel, Eddie Fero, appellierte in einer bewegenden Ansprache an das israelische Militär und flehte, kein Einsatzkommando nach Jenin zu entsenden und den Leichnam seines Neffen zu retten: “Es dürfen keine Soldaten gefährdet werden. Wir wollen nicht noch mehr weinende Mütter.”

Bewaffnete Drusen drohen, die Leiche Tirans zu befreien, sollte der Körper bis Donnerstagmorgen nicht zurückgegeben werden. Quelle: Twitter Privat

Feros Onkel: “Eine Katastrophe wurde vermieden”

Donnerstagnacht wurde der Leichnam an die Familie zurückgegeben. “Wir atmen erleichtert auf, es ist ein unbeschreibliches Gefühl der Erleichterung”, so Eddie Fero, Tirans Onkel. Eddie Fero war in der Nacht zum Salem-Queckpoint gefahren, um die Leiche zu identifizieren. “Er ist gestorben, aber wir, seine Familie sind hier bei ihm und wir können ihn nach Hause bringen und die Beerdigung abhalten, die er und unsere Familie verdienen”, so der Onkel.

Zuvor wurde die Familie vom Koordinator für Regierungsaktivitäten im sogenannten Westjordanland kontaktiert und über die Rückgabe des verunglückten Schülers informiert. Die Nachricht habe nicht nur die aufgewühlte Familie beruhigt, sondern auch die Gemüter der jungen Drusen im Land. Der Vorfall schlug nicht nur im drusischen Heimatdorf des Opfers in Daliyat El-Carmel hohe Wellen, sondern landesweit. Drusische Demonstranten blockierten über Stunden die Autobahn und drohten, in Jenin einzumarschieren, um Tirans Leichnam selbst zurückzubringen. “Wir wollen nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn es nicht so geendet hätte”, erklärt Eddie Fero. “Eine große Katastrophe wurde vermieden.”.

Beerdigung statt Geburtstagsfest

Auch der Vater des jungen Mannes, Husam Fero, zeigt sich beruhigt. “Heute ist sein Geburtstag und wir wollten mit ihm zusammen feiern, aber ich bin glücklich, dass der Körper meines Sohnes zu uns zurückgekommen ist. Möge sein Andenken ein Segen sein”, erklärt Husam. Die Familie erzählt, dass sie die ganzen Stunden darüber nachdenken mussten, was die bewaffneten Radikalen mit ihrem Sohn machen würden. Die Angst, er könnte aus dem Dorf in eine andere Umgebung geschmuggelt werden, war sehr groß. “Vieles ging uns durch den Kopf, aber Gott sei Dank sind wir jetzt beruhigt”, berichtet Husam und wendet sich mit dankenden Worten an die Regierung des Landes ” Sie haben es uns versprochen und ihr Wort gehalten.”

Tiran Fero
Tiran Fero wurde gerade einmal 17 Jahre alt. Heute hätte der junge Druse seinen 18. Geburtstag feiern sollen.

Keine Gegenleistung für den Leichnam

Ein hochrangiger Beamter des Sicherheitsapparats betonte, die Entführer hätten nichts als Gegenleistung für die Rückgabe der Leiche erhalten. Es habe keine Verhandlungen mit den Terroristen gegeben. Der Sicherheitsbeamte lobte in diesem Zug die Bemühungen der Palästinensischen Autonomiebehörde und betonte eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Kooperation der palästinensischen Führung. “Die palästinensische Regierung hat Führungsstärke und Verantwortung bewiesen, ein so komplexes Problem dieser Art zu lösen.” Auch Israels amtierender Verteidigungsminister Benny Gantz sprach der Palästinensischen Autonomiebehörde seine Wertschätzung für ihr Engagement zur Rückgabe von Tiran Fero aus. “Dies ist eine grundlegende humanitäre Maßnahme nach einer demütigenden und unmenschlichen Aktion”, so Gantz.

Lockdown um Jenin aufgehoben  

Der Vorfall zog zivilrechtliche Sanktionen und militärische Drohungen nach sich. Die israelische Armee hatte der Öffentlichkeit in Jenin deutlich gemacht, dass sie einen schweren zivilen wie wirtschaftlichen Preis für die unmenschliche Entführung des toten Israeli zahlen würden. Die militanten Entführer verloren daraufhin in der Stadt und im Flüchtlingslager schnell ihre Unterstützung.

Gestern wurden die Queckpoints Jalameh und Salem bis auf weiteres geschlossen. Weder Palästinenser mit einer israelischen Arbeitserlaubnis noch israelische Araber durften den Grenzübergang passieren. Nach der Rückgabe der Leiche kündigte der Koordinator für Regierungsaktivitäten im sogenannten Westjordanland die Rückkehr zur zivilen Routine und die Öffnung der Grenzübergänge an.

Titelbild: 20 bewaffnete Terroristen stürmen das Ibn-Sina-Krankenhaus in Jenin, trennen den Verletzten von den Beatmungsgeräten und entführen den jungen Drusen. Foto: Nasser Ishtayeh/Flash90

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