„Unfähig“ und „voreingenommen“: Rotes Kreuz stößt bei Israelis auf wenig Sympathie
JERUSALEM, 28.12.2023 (TPS) – „Menschlichkeit“, „Mitgefühl“, „Neutralität“ – für diese Begriffe möchte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gerne stehen. In Israel verbindet man mit der Organisation eher das Wort „Versager“. Vom israelischen Premierminister abwärts wird das IKRK kritisiert. Die Öffentlichkeit ist sich einig, dass das IKRK bestenfalls ein glorifizierter Taxidienst ist und schlimmstenfalls die prominenteste der durchweg israelfeindlichen „humanitären“ Gruppen.
Die Geiseln nicht erreicht
Die Israelis beschuldigen das IKRK, die Geiseln in der Gewalt der Hamas nicht erreicht zu haben. Mehr als 80 Tage nach Beginn des Krieges ist es dem Roten Kreuz noch immer nicht gelungen, Zugang zu den verbliebenen Gefangenen der Terrorgruppe zu erhalten. Die israelische Wut wächst, je mehr Berichte über die schreckliche Lage der Entführten auftauchen: Folter, sexueller Missbrauch, Mangel an Nahrung und medizinischer Versorgung.
Die Präsidentin des IKRK, Mirjana Spoljaric, gab am 23. Dezember Israel die Schuld und erklärte gegenüber Channel 12, dass „sowohl“ die Hamas als auch Israel dafür verantwortlich seien, dass das IKRK die Geiseln nicht erreichen konnte. Yehonatan Sabban, ehemaliger Sprecher des IKRK in Israel, sagte, er habe sich das Interview viermal ansehen müssen, weil er nicht glauben konnte, was er hörte.
Das IKRK verteidigt sich vor allem damit, dass es keinen gewaltsamen Zugang zu den Geiseln schaffen könne. Das IKRK sagt auch, dass es hinter den Kulissen arbeitet, was den Nachteil hat, dass die Öffentlichkeit nichts von seinen Bemühungen mitbekommt.
Sarah Davies, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des IKRK „in Israel und den besetzten Gebieten“, erklärte gegenüber dem Pressedienst TPS: „Wir wissen, dass eine diskrete Organisation nicht immer beliebt ist und dass es für die Menschen sehr frustrierend sein kann, wenn wir an unserem vertraulichen Ansatz festhalten. Aber wir wissen auch aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass wir für die Menschen, denen wir helfen wollen, am besten etwas verändern können, wenn wir uns unauffällig verhalten und hinter verschlossenen Türen für die Interessen dieser Menschen eintreten, und zwar direkt bei denen, die den Einfluss haben, etwas zu verändern“.
Erinnerungen an den Holocaust
Die Argumentation des IKRK – eine öffentliche Verurteilung der Hamas zu vermeiden, aus Angst, die Terrorgruppe zu verärgern und damit jeden Einfluss zu verlieren – erinnert auf unheimliche Weise an die Erklärung des IKRK, warum es den Holocaust während des Zweiten Weltkriegs nicht verurteilte. Die Führung des IKRK wusste Ende 1941 von den Plänen der Nazis, das europäische Judentum zu vernichten. Sie entschied sich aber zum Schweigen, weil sie glaubte, dass ein öffentlicher Protest ihre Fähigkeit, den alliierten Kriegsgefangenen in Deutschland zu helfen, sabotieren würde.
Einseitige Social-Media-Posts
Manche sagen, das moralische Versagen des IKRK gehe weit über diese Unterlassungssünde hinaus. Die in Genf ansässige Organisation U.N. Watch kritisierte das Rote Kreuz scharf für seine, wie sie es nannte, eklatante Voreingenommenheit gegenüber Israel im aktuellen Konflikt.
In einem Bericht vom 11. Dezember untersuchte die Organisation die Social-Media-Konten des IKRK und stellte fest, dass von 187 Tweets, die von den Hauptaccounts veröffentlicht wurden, „77 Prozent explizit oder implizit Israel kritisierten. Nur 7% der Tweets kritisierten die Hamas“.
Der Bericht stellte fest, dass das IKRK die angebliche israelische Bombardierung des Al-Ahli-Krankenhauses schnell verurteilte und am 17. Oktober, dem Tag der Explosion, twitterte, es sei „schockiert und entsetzt“, dass „Hunderte getötet wurden“, darunter Patienten in Krankenhausbetten und Ärzte, die versuchten, Leben zu retten. Israel veröffentlichte später abgefangene Nachrichten der Hamas, aus denen hervorging, dass die Explosion durch eine fehlgeleitete Rakete des Palästinensischen Islamischen Dschihad verursacht wurde.
U.N. Watch stellte zudem fest, dass das IKRK bei der Beschreibung des palästinensischen Leidens eine „emotionale und manchmal übertriebene Sprache“ benutze, die den Leser dazu verleite, Israel die Schuld zu geben. In diesen Tweets werde nicht erwähnt, dass die Hamas ihre Terroristen und ihre Infrastruktur unter der Zivilbevölkerung verstecke.
Bild: Die Familien israelischer Geiseln demonstrieren in Tel Aviv gegen das Internationale Rote Kreuz. Sie kritisieren, dass die Organiation nicht genug tue, um Zugang zu ihren Angehörigen zu erhalten. Foto: Gideon Markowicz/TPS