
***FREIGELASSEN*** Die Gesichter & Geschichten hinter den Geiseln – Ohad Ben Ami
JERUSALEM, 14.05.2024 (NH) – Wir wollen den Geiseln in Gaza ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Wir wollen gemeinsam unseren Alltag für ein paar Minuten anhalten und für die Heimkehr eines jeden Einzelnen beten.
„Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (Mischna, Sanhedrin 4:5)
Ohad Ben Ami (57), Be’eri
Ohad agiert als Kibbuz-Buchhalter in Be’eri. Er wird von seiner Familie als ordentlicher, ausgeglichener und lustiger Mensch beschrieben. Für seine Töchter hält er bei Problemen immer eine Lösung bereit. Eines seiner beliebtesten Hobbies ist das Rad fahren. Jeden Schabbat macht er mit seinen Kibbuz-Freunden eine Fahrradtour in der idylischen Gegend.
Einige Monate vor dem Schwarzen Schabbat zog Ohads Mutter näher an den Kibbuz, sodass ihr Sohn ihr helfen und sich um sie kümmern könne. Seine Familie war für den 57-Jährigen der Mittelpunkt seiner Welt.
Sowohl Ohad als auch seine Ehefrau Raz besitzen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Paar ist seit 28 Jahren glücklich verheiratet. Raz bezeichnet ihren Ehemann als „die Liebe ihres Lebens“.

Massaker in Be’eri
Am 7. Oktober 2023 stürmte die Terrororganisation Hamas den Kibbuz Be’eri und schlachtete die Bewohner der Gemeinde brutal ab. Hunderte „Kämpfer“ begangen an der Zivilbevölkerung des Kibbuz Gräueltaten unbeschreiblchen Ausmasses. Mehr als 100 Kibbuzbewohner wurden ermordet, 32 wurden als Geiseln in den Gazastreifen entführt. Einige der Gefangenen wurden nach ihrer Entführung ermordet. Doch nicht nur die Hamas richtete an diesem Tag ein Blutbad an: zivile Bewohner des Gazastreifens strömten durch den zerstörten Zaun in den Kibbuz und nahmen an dem Massaker und den Plünderungen teil. An den Morden waren jugendliche, ältere sowie behinderte Palästinenser beteiligt.
Ohad und Raz lebten im „Vineyard-Viertel“ von Be’eri. Genau dieses Viertel liegt Gaza am nächsten. Hamasterroristen durchbrachen den Sicherheitszaun des Kibbuz direkt neben ihrem Haus. Ella, eine ihrer drei Töchter, lebte ebenfalls in Be’eri.
Um sieben Uhr morgens schrieb Ohad seiner Tochter, er höre viele Terroristen und Schüsse in der Nachbarschaft. Um 9:30 Uhr berichtete Ohad, die Terroristen hätten sein Haus gestürmt und „richteten eine Menge Chaos an“. Der 57-Jährige betete das „Schma Israel“ und gab seiner Tochter kurze Anweisungen zu seinem Testament. Um 10:07 Uhr schrieb er eine letzte Nachricht:“Sie haben den Schutzbunker betreten – sie haben uns.“
Ella überlebte das Massaker in dem Grenzkibbuz. Natalie, eine weitere Tochter des Paares, lebt mit ihrem Freund in der Nähe des Kibbuz Nahal Oz. Auch sie stand bis zu der Entführung ihrer Eltern in ständigem Kontakt mit ihnen.

Geiselnahme von Ohad und Raz
Um 11 Uhr morgens, eine Stunde nach der Geiselnahme von Ohad und Raz, sahen die Töchter ein Entführungsvideo ihres Vaters. Die Terroristen prahlten zu Beginn damit, einen Armeegeneral entführt zu haben. Zwei Wochen später wurde auch die Entführung der Mutter veröffentlicht. Raz war barfuß und lief über ein Feld voller Dornen.
Ohads Ehefrau Raz wurde am 29. November im Rahmen eines verlängerten vorübergehenden Waffenstillstandsabkommens zwischen der Hamas und Israel freigelassen. Nur zwei Tage nach ihrer Freilassung demonstrierte Raz bereits auf dem sogenannten „Geiselplatz“ in Tel Aviv und forderte die Freilassung ihres hinterbliebenen Mannes.
Zwei Wochen später tauchte in den sozialen Medien ein Foto von Ohad auf, das ihn in T-Shirt und Unterwäsche zeigt, wie er von einem Terroristen an seinem Hemd gezogen wird.
Familie Ben Ami ist seit der Rückkehr ihrer Mutter aus der Geiselhaft öffentlich sehr aktiv. Die Hinterbliebenen fordern, umgehend ein neues Abkommen für die Freilassung ihrer Angehörigen zu initiieren. „Ich werde nicht aufgeben, bis er hier ist“, erklärte Raz Ben Ami. Raz leidet an Hirntumoren, die auf die Nerven in ihrem Schädel drücken.

Raz warnte zudem die Regierungsmitglieder, eine Bodenoffensive in Gaza bringe die Geiseln in Gefahr. „Und leider hatten wir Recht – eine Militäroperation allein wird das Leben der Geiseln nicht retten.“
Ohad, wir beten für Deine Rückkehr.

***UPDATE***
Or Levy (34), Eli Sharabi (52) und Ohad Ben Ami (57) wurden am 8. Februar 2025 nach 491 Tagen Geiselhaft freigelassen. Die Übergabe an das Rote Kreuz fand gegen 11 Uhr morgens im Zentrum des Gazastreifens in Deir al-Balah statt. Die drei Männer standen auf ihren eigenen Beinen, aber alle drei befanden sich in einem ernsten gesundheitlichen Zustand. Die Männer waren bis auf die Knochen abgemagert und schienen 30 Prozent ihres Körpergewichts verloren zu haben.
Die Geiselübergabe fand wie immer mit einer pompösen und brutalen Propagandashow der Hamas statt. Auf einer Bühne, umringt von 200 schwer bewaffneten Qassam-Mitgliedern der Hamas, wurden die abgemagerten Israelis vor einem palästinensischen Mob interviewt. Nach dem Terror-Spektakel wurden die drei Geiseln feierlich an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben.
Das Politbüro der israelischen Regierung erklärte, angesichts des schrecklichen Zustands der drei Geiseln und der wiederholten Verstöße der Hamas habe Ministerpräsident Netanjahu angeordnet, „die Gräueltaten nicht zu ignorieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen“.
Auf einem Militärstützpunkt nahe der Gaza-Grenze konnten die Freigelassenen nach fast 16 Monaten endlich ihre Angehörigen in die Arme schließen. Willkommen zu Hause!

Titelbild: Ohad Ben Ami. Foto: privat