
Die Gesichter & Geschichten hinter den Geiseln – Matan Angrest
JERUSALEM, 26.05.2024 (NH) – Wir wollen den Geiseln in Gaza ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Wir wollen gemeinsam unseren Alltag für ein paar Minuten anhalten und für die Heimkehr eines jeden Einzelnen beten.
„Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (Mischna, Sanhedrin 4:5)
Matan Angrest (21), Kiryat Bialik
Matan Angrest ist der älteste Sohn von Anat und Haggai. Der 21-Jährige wird als hilfsbereiter und bescheidener junger Mann beschrieben. Neben Matan hat Familie Angrest noch drei weitere Kinder.
Matan war im August 2021 in den Dienst der israelischen Armee getreten und dient im Panzerkorps als Panzerfahrer. Matan hätte vergangenen April aus seinem dreijährigen Dienst entlassen werden sollen. Der 21-Jährige agierte als Stabsfeldwebel am 7. Oktober im Süden Israels und kämpfte mit seinem Team gegen Hamas-Terroristen, die die Gemeinden in der Nähe des Gazastreifens infiltriert hatten. Seitdem soll sich der Soldat in den Händen der Terrororganisation befinden.
Letztes Telefonat
Zum jüdischen Fest der Thorafreude, Simchat Thora, war Matans Familie zu Angehörigen nach Netanja gefahren. Die Angrests waren glücklich, alle zusammen den Feiertag zu zelebrieren. Keiner ahnte, was sich zum damaligen Zeitpunkt im Süden des Landes abspielte. Am frühen Samstagmorgen rief Matan seine Mutter an. Doch sie schlief und verpasste den Anruf ihres Sohnes. „Wir wissen nicht, was er uns in diesem Gespräch noch sagen wollte, denn danach antwortete er nicht mehr. Wir schalteten den Fernseher ein und sahen, was im Süden passierte, und gerieten in riesige Panik. Matan ging nicht mehr ans Telefon, ebenso wenig andere von seiner Einheit“, erzählt Matans jüngerer Bruder Ofir.
Nach dem mörderischen Terroranschlag galt Matan in den ersten Tagen zunächst als vermisst. Erst eine Woche nach dem Inferno bekam Familie Angrest Besuch vom israelischen Militär. „Wir dachten schon, sie wären gekommen, um uns eine andere grausame Nachricht zu überbringen, unsere Herzen waren bereits zerbrochen, doch dann berichteten die Soldaten uns, dass Matan vermisst wird. Andere Informationen gab es noch nicht“, erzählt der 15-jährige Bruder tapfer. Die Familie stand seitdem in engem Kontakt mit anderen Angehörigen, die ebenfalls keine Informationen über ihre vermissten Kinder haben.

Handy in Gaza geortet
Zwei Wochen nach dem 7. Oktober wurde Matans Telefon in Gaza geortet. Danach bekam der junge Panzerfahrer den schweren Titel „Geisel“.
Doch die Familie hatte immer noch mit der grausamen Ungewissheit über das Schicksal ihres Sohnes zu kämpfen. Im Dezember 2023, nach einem kurzzeitigen Waffenstillstand und Geiselabkommen zwischen der Hamas und Israel, bestätigte einer der befreiten Geiseln, Matan gesehen und einige Tage mit ihm in den Terrortunneln unter Gaza verbracht zu haben. Der entführte Soldat soll jedoch schwer verletzt gewesen sein. Wahrscheinlich zeugten die Verletzungen des 21-Jährigen noch immer von den schweren Kämpfen des 7. Oktobers. Zum ersten Mal nach mehr als zwei Monaten erfuhr Familie Angrest, dass ihr Sohn am Leben war.
Die Mutter Anat ist verzweifelt: „Es fällt mir schwer, mich um meine drei anderen Kinder zu kümmern und ruhig zu bleiben, während ich mir meinen Sohn hungrig und verletzt in einem Tunnel vorstelle. Ich sehe ihn geradezu vor mir sitzen.“
Anat und Haggai haben seit dem 7. Oktober aufgehört zu arbeiten. „Wir haben keinen Tag und keine Nacht. Wir haben Albträume und weinen viel. Zwei unserer Kinder haben Schwierigkeiten, mit der Schule fertig zu werden und erhalten nur Nachhilfe zu Hause. Sie sind durch die Entführung ihres Bruders traumatisiert. Die letzten sechs Monate waren ein kompletter Zyklus der Hölle“, berichtet die gebrochene Mutter in den israelischen Medien.
Silbermedaille für Matan
Am 18. Februar gewann die israelische Schwimmerin Anastasia Gorbenkos bei den Weltmeisterschaften in Katar die Silbermedaille in der gemischten 400-Meter-Staffel. Die junge Sportlerin widmete in einer bewegenden Ansprache ihre historische Leistung dem 21-jährigen Matan. Anastasia und Matan haben zusammen in der Junior High School studiert. Die Jugendlichen verbrachten drei Jahre zusammen in einer Sportklasse an der Afek High School in Kiryat Bialik: Matan trainierte in der Basketballmannschaft und Anastasia im Schwimmteam.
Matans Schwester Adi, die zum damalige Zeitpunkt kurz vor ihrer Einberufung zur Grenzpolizei stand, sprach im Januar vor dem staatlichen Rechnungsprüfungsausschuss über die Entführung ihres geliebten Bruders. „Bitte, ich denke, ihr habt die Macht, zu reden, um zu erklären, dass es keinen Preis für die Geiseln gibt. Für die Hamas ist der Preis für die Entführten sehr hoch, für mich gibt es keinen Preis für die Freiheit meines Bruders, es gibt keinen Preis für die Freiheit aller Entführten. Ich will, dass sie am Leben herausgeholt werden, alle – und zwar jetzt!“
Vor den Zeremonien des Soldatengedenktages wandte sich Matans Mutter in einem bewegedem Schreiben an ihren Sohn: „Mein geliebter Matan, ich fühle Dich, Du musst stark bleiben, auch in der Hölle. Für mich, für Papa und für deine drei Geschwister.“
Matan, wir beten für Deine Rückkehr.

Titelbild: Matan Angrest Foto: privat