
Neue Politik: Israel wird zur Schutzmacht für die Drusen im Süden Syriens
JERUSALEM, 28.02.2025 (TPS) – Die jüngste Erklärung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, Südsyrien müsse entmilitarisiert bleiben und die dortigen drusischen Gemeinden müssten geschützt werden, sei eine „bedeutende Veränderung“. Das sagten Experten und Mitglieder der drusischen Gemeinschaft in Israel dem israelischen Pressedienst TPS.
Bei einer Abschlussfeier für Offiziersanwärter in Holon hatte Netanjahu deutlich gemacht: „Wir fordern die vollständige Entmilitarisierung Südsyriens. Wir werden keine Bedrohung der drusischen Gemeinschaft in Südsyrien dulden“. Netanjahu betonte: „Wir werden nicht zulassen, dass die Kräfte von HTS [Hay’at Tahrir al-Sham] oder die neue syrische Armee in das Gebiet südlich von Damaskus eindringen.“ Hay’at Tahrir al-Sham ist die von der Türkei unterstützte islamistische Gruppe, die das Regime von Bashar Assad gestürzt und die Macht übernommen hat. Netanjahu nannte die südsyrischen Provinzen Quneitra, Daraa und Suwayda für die Entmilitarisierung. In Syrien leben schätzungsweise 700.000 bis 800.000 Drusen, vor allem in den südwestlichen Gebieten nahe Israel und Jordanien. Sie machen etwa vier Prozent der syrischen Bevölkerung aus.
Herausforderung für die Türkei
„Die Botschaft ist unmissverständlich: Israel positioniert sich als Beschützer des südlichen Syriens, insbesondere der dortigen drusischen Bevölkerung“, erläuterte Dr. Hay Eytan Cohen Yanarocak. Er forscht am Moshe-Dayan-Zentrum in Tel Aviv. „Nach dem Sturz Assads ist die Türkei im Wesentlichen zum neuen Schutzpatron Syriens geworden und hat die Rolle übernommen, die einst Russland spielte“, erläuterte er. „Der israelische Schritt stellt eine direkte Herausforderung für den Einfluss der Türkei dar, insbesondere angesichts der jüngsten Erklärung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dass Israel sich von den besetzten Golanhöhen zurückziehen oder mit Konsequenzen rechnen müsse“. Als die israelische Armee in die syrischen Golanhöhen einmarschierte, habe es geheißen, dies sei nur vorübergehend – erst für Tage, dann für Wochen, dann vielleicht für Monate. Aber nach Netanjahus Rede spreche man jetzt von einer dauerhaften Präsenz.
„Wir nutzen die Tatsache, dass wir einen starken Verbündeten im Weißen Haus haben, voll aus und setzen diese Unterstützung ein, um vor Ort Fakten zu schaffen, die Israels Sicherheit langfristig verbessern werden. Das ist nicht nur eine weitere Schlagzeile. Es ist ein strategischer Schritt, der Israels Absicht signalisiert, die Zukunft seiner Nordgrenze zu gestalten.“
Lob und Kritik von den Drusen
Die Erklärung hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die drusische Gemeinschaft in Syrien und Israel. Wael Mugrabi, Vorsitzender des Gemeinderates von Ein Qiniyye auf den Golanhöhen, begrüßte die Anerkennung der drusischen Anliegen durch den Premierminister, warf aber auch kritische Fragen zur allgemeinen Politik Israels gegenüber seinen drusischen Bürgern auf: „Einerseits ist es wichtig, dass der israelische Premierminister die Drusen in Syrien anerkennt und ihnen Unterstützung zusichert“, unterstrich Mugrabi. „Das entspricht unserer alten historischen Verbindung, die auf Jethro und Moses zurückgeht.“

Er warnte jedoch vor den unbeabsichtigten Folgen einer solchen öffentlichen Erklärung. „Sie bringt die Drusen in Syrien in eine gefährliche Lage. Extremistische Gruppen könnten sie als Kollaborateure Israels betrachten, was zu gewaltsamen Vergeltungsmaßnahmen gegen sie führen könnte“, warnte Mugrabi und forderte Netanjahu auf, mehr für die drusische Gemeinschaft in Israel zu tun. „Wir haben für dieses Land gekämpft und sind dafür gestorben, aber wir werden immer noch systematisch diskriminiert. Wenn Netanjahu die Drusen wirklich schätzt, sollte er damit beginnen, uns gleiche Rechte in unserem eigenen Land zu geben“, betonte er.
Verbunden wie Jethro und Moses
Die 152.000 Drusen in Israel führen ihre Abstammung auf die biblische Figur Jethro, den Schwiegervater Moses, zurück. Israelische Drusen bekleiden hohe Positionen im öffentlichen und militärischen Leben, und die Verbindung zwischen jüdischen und drusischen Soldaten wird als „Blutsbande“ bezeichnet. Die Drusen sprechen Arabisch, sind aber keine Muslime und halten sich mit ihren religiösen Überzeugungen sehr bedeckt.
Die Drusen, die in Galiläa und auf dem Berg Karmel leben, haben sich während des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948 auf die Seite der Juden gestellt, sich für die Zugehörigkeit zur israelischen Gesellschaft entschieden und sich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens etabliert. Als Israel 1967 im Sechstagekrieg die Golanhöhen eroberte, lehnten die dortigen Drusen das Angebot der israelischen Staatsbürgerschaft ab, da sie glaubten, dass Syrien das Plateau zurückerobern würde. Seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 hat sich diese Einstellung jedoch geändert.
Titelbild: Ein israelischer Panzer auf den Golanhöhen, an der Grenze zu Syrien. Die Truppen stellen sich auf eine lange Präsenz im Nachbarland ein. Foto: Michael Giladi / Flash 90