
Deutschland stellt Rekordsumme für Holocaust-Überlebende zur Verfügung
JERUSALEM/BERLIN, 29.10.2025 (TM) – Die deutsche Regierung stellt für das Jahr 2026 rund eine Milliarde Dollar (924 Millionen Euro) für die häusliche Pflege von Holocaust-Überlebenden bereit. Es ist der höchste Betrag, er jemals für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurde. Das hat die Organisation „Claims Conference“ mitgeteilt, die mit dem deutschen Finanzministerium verhandelte. Deutschland reagiere damit auf die wachsenden Nöte der immer älter werdenden Überlebenden des Nazi-Terrors.
Stuart E. Eizenstat, der die Verhandlungen im Namen der „Claims Conference“ leitete, erläuterte in einem Interview: „Wir sind nun fest davon überzeugt, dass wir mit dem größten Budget für häusliche Pflege in der Geschichte der Verhandlungen der Claims Conference mit Deutschland, die bis ins Jahr 1952 zurückreichen, alle Personen auf den Wartelisten versorgen können.“
Weniger Überlebende – höherer Bedarf
Fast alle heute noch lebenden Holocaust-Überlebenden werden innerhalb von 15 Jahren verstorben sein. Die Hälfte von ihnen wird bis 2031 sterben, so eine demografische Analyse, die im April von der Claims Conference veröffentlicht wurde. „Es gibt weniger Überlebende, aber diejenigen, die 80 oder 90 Jahre alt werden, benötigen per Definition mehr Pflege“, erläuterte Eizenstat. „Auch wenn die Zahlen rückläufig sind, steigt der finanzielle Bedarf.“
Die Zahl der Überlebenden, die aufgrund einer schweren Behinderung – wie Alzheimer, Parkinson und Demenz – Anspruch auf Vollzeitpflege haben, hat sich in den vergangenen sechs Jahren fast verdoppelt.
Mehrheit an der Armutsgrenze
Eizenstat sagte, dass von den verbleibenden geschätzten 200.000 Überlebenden über 80 Prozent in den Ländern, die früher zur Sowjetunion gehörten, unterhalb oder nahe der Armutsgrenze leben. In den Vereinigten Staaten und Israel lebt etwa ein Drittel an oder nahe der Armutsgrenze.
In einer Erklärung des deutschen Finanzministeriums heißt es: „Circa 50.000 Holocaust-Überlebende weltweit bekommen derzeit eine monatliche Unterstützung zum Lebensunterhalt aus Deutschland. Zusätzlich erhalten circa 100.000 jüdische Opfer auf der ganzen Welt Pflege- beziehungsweise Fürsorgeleistungen in den Bereichen hauswirtschaftliche Unterstützung, personenbezogene Grundpflege und – wenn nötig – auch fachliche Krankenpflege sowie medizinische Versorgung. Darüber hinaus werden auch Leistungen wie zum Beispiel Essen auf Rädern, Lebensmittelpakete, Tagesbetreuung und Transportleistungen unterstützt. Zur Vorbeugung von Isolation und Vereinsamung der zumeist hoch betagten Opfer werden Aktivitäten wie Besuchsprogramme und Erzählcafés durchgeführt.“

Eizenstat fand lobende Worte für die Bundesregierung: „Das sind Menschen, die buchstäblich nicht während des Krieges geboren wurden, oder wenn doch, dann waren sie noch kleine Kinder, und dennoch fühlen sie sich moralisch verantwortlich“, sagte Eizenstat. „Das widerlegt die Vorstellung, dass es in Deutschland eine Holocaust-Müdigkeit gibt, denn dies geschieht in einer Zeit, in der das Land unter der erdrückenden finanziellen Belastung durch die Ukraine leidet und aufgrund des langsamen Wachstums seine Wirtschaft ankurbeln muss. Das ist wirklich eine Kombination von Faktoren, für die Deutschland unter schwierigen Umständen große Anerkennung verdient.“
Wissen um den Holocaust schwindet
Die Finanzierung der Holocaust-Aufklärung wurde ebenfalls bis 2029 verlängert, mit einer Gesamtfördersumme von 175 Millionen Euro. Darunter fallen beispielsweise Bildungsprogramme mit Initiativen zur Lehrerausbildung, aber auch akademische Forschung und das Sichern und Entwickeln von Filmen, Spielen und Virtual-Reality-Erlebnissen. Das sei wichtig in einer Zeit, in der dass Wissen über die gezielte Judenvernichtung durch die Nazis abnehme, während gleichzeitig der Antisemitismus wachse.
„Es ist von großer Bedeutung, dass die deutsche Regierung auch 80 Jahre nach der Befreiung ihre Verantwortung gegenüber denjenigen wahrnimmt, die gelitten und überlebt haben“, unterstrich die Holocaust-Überlebende Colette Avital: „Jeder Überlebende – und jeder Retter – verdient es, in Würde zu leben und gesehen, gehört und umsorgt zu werden.“
Titelbild: Der 90-jährige Holocaust-Überlebende Hanoch Shahar präsentiert am 23. April 2025 in der nordisraelischen Stadt Tzfat Gegenstände aus der Zeit des Holocaust. Foto: David Cohen/Flash90