3D-Technik entziffert verkohlte Schriftrolle
JERUSALEM, 22.09.2016 (FJ) – Ein Hightech-Verfahren und eine neue Software haben es Wissenschaftlern ermöglicht, eine antike verkohlte Schriftrolle zu lesen, ohne sie zu öffnen.
Die antike Schriftrolle war zu zerbrechlich, um geöffnet zu werden. Jahrzehntelang lag das 2.000 Jahre alte Stück Pergament in einem Raum der Israelischen Altertumsbehörde. Nun hat es eine neue Technologie ermöglicht ins Innere der Schriftrolle zu blicken. Es sind die frühesten Zeugnisse eines biblischen Textes. Es ist eine Passage aus dem Buch Levitikus, dem 3. Buch Mose aus dem Alten Testament. Der Text der verkohlten Schriftrolle sei „zu 100 Prozent identisch mit der Version des Buches Levitikus, die seit Jahrhunderten in Gebrauch ist,“ sagte der Wissenschaftler Emmanuel Tov von der Hebrew University in Jerusalem. „Das ist schon sehr erstaunlich, dass sich der Text innerhalb von 2.000 Jahren nicht geändert hat“, zeigt sich Tov begeistert.
Zweitältestes biblischen Dokument
Die Schriftrolle aus dem israelischen En Gedi ist das älteste biblische Dokument nach den berühmten Rollen vom Toten Meer, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlichten. Eine Radiokarbonuntersuchung ergab, dass die Schriftrollen aus dem 3. Jahrhundert nach Christus stammen.
1970 machten Archäologen in den Ruinen einer Synagoge im israelischen En Gedi einen sagenhaften Fund: In dem 600 nach Christus abgebrannten Gotteshaus fanden sie mehrere alte Schriftrollen. Allerdings alle verbrannt und verkohlt. Die Fragmente wurden Jahrzehntelang möglichst wenig bewegt, damit sie nicht zerbröseln.
Schriftrolle „virtuell entrollt“
Seither haben Forscher Scanmethoden und Software entwickelt, die solche Schriftrollen „virtuell entrollen“ können. Im Jahr 2015 haben William Brent Seales und seine Kollegen von der University of Kentucky in den USA begonnen, eine der Schriftrollen aus En Gedi in einem solchen Scanverfahren zu untersuchen. Im ersten Schritt wurde die verkohlte Schriftrolle vorsichtig mittels Micro-Computertomografie (CT) durchleuchtet. Dieser Scan bildet die dreidimensionale Struktur der Rolle ab und ist gleichzeitig hochauflösend. Damit kann die Tinte in den beschriebenen Passagen gezeigt werden.
Die Daten des Scans wurden dann von einer eigens dafür entwickelten Software analysiert. Diese versucht die einzelnen Schichten des Pergaments zu identifizieren. Laut Seales sei das sehr schwierig, „weil die En Gedi-Rollen stark verformt und zerdrückt sind.“ In einem dritten Schritt werden die rekonstruierten Oberflächen, die in der Schriftrolle gerundet vorlagen, virtuell geglättet. Dann setzten die Wissenschaftler die einzelnen Fragmente zu einem großen Bild zusammen.
Die Forscher betonen, dass das neue Verfahren nun die Chance eröffnet, weitere verbrannte oder anderweitig stark beschädigte Schriftrollen oder Texte zu entziffern.
Foto: Israel Antiquities Authority
Bild zeigt die verkohlte Schriftrolle aus der Synagoge von En Gedi.