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US-Außenminister Kerry: Kein Friede ohne Zwei-Staaten-Lösung

WASHINGTON /JERUSALEM, 28.12.2016 (TM) – Der scheidende US-Außenminister John Kerry hat am Mittwoch in einer Rede ausführlich zur Nahostpolitik der Obama-Regierung und der Zukunft Israels Stellung genommen. Kerry erläuterte, wie er sich den Weg zum Frieden vorstellt. Hier seine Thesen, kommentiert von Fokus Jerusalem-Redaktionsleiter Tommy Mueller.

„Keine Regierung hat mehr für Israels Sicherheit getan als die von Präsident Obama“, unterstrich Kerry. Die USA hätten sich stets gegen den Boykott Israels gewandt. Die amerikanische Unterstützung für das Raketenabwehrsystem „Eiserne Kuppel“ habe tausende von Leben gerettet. Freunde müssten sich auch harte Wahrheiten sagen dürfen. Er werde alles in seiner Macht stehende tun, um den Nahostkonflikt zu beenden.

Kommentar: Willkommen in der Welt der arroganten Träumer! Die Israelis müssen nur auf John Kerry hören, und der Nahe Osten wird zum friedlichen, blühenden Paradies. Geht’s noch? Die „israelischen Freunde“ darf der US-Außenminister natürlich kritisieren – wo aber bleibt seine lautstarke Kritik, wenn es um den Iran, Saudi-Arabien oder andere (öl)reiche Staaten geht?

„Die Zwei-Staaten-Lösung ist in Gefahr“, so Kerry. Gewalt und die anscheinend endlose Besatzung bereiteten den Weg für eine Ein-Staaten-Lösung. Die tauge aber nicht zum Frieden: „Israel kann entweder jüdisch sein oder demokratisch – beides geht nicht.“

Kommentar: Kerry kehrt die tatsächlichen Verhältnisse um. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. In Gaza und in den Palästinensischen Autonomiegebieten herrschen Militärdiktaturen, die durch anhaltende Menschenrechtsverletzungen auffallen. Wenn diese einen eigenen Staat bekommen, mutieren sie plötzlich zu friedenswilligen Demokraten? Und: Nicht nur die Hamas fordert ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer, also schlicht und einfach die Vernichtung Israels. Für viele palästinensische Aktivisten und ihre arabischen Verbündeten ist die Zwei-Staaten-Lösung nur eine Übergangszeit bis zur „Endlösung der Judenfrage“.

Kerry erklärte weiter, es gebe keine Rechtfertigung für Terrorismus, und kritisierte die Verherrlichung von Attentätern durch die Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Abbas. Kerry wandte sich gegen die „unausgewogene“ Resolution der UNESCO, die jeden historischen jüdischen Bezug zu Jerusalem bestritten hatte. Die Hamas leugne bis heute das Existenzrecht Israels. Trotz der humanitären Not im Gazastreifen rüste die Hamas dort auf und bedrohe israelische Zivilisten – keine Regierung könne das tolerieren.

Kommentar: Genau so ist es! Die Frage ist nur, welche Konsequenzen man daraus zieht.

Die derzeitige Regierung sei die „rechtsorientiertste in der Geschichte Israels“ und werde „von extremen Elementen getrieben“, so der Außenminister der USA. Zu den beunruhigendsten Entwicklungen gehörten israelische Außenposten auf palästinensischem Privatland. Er befürchte, dass Israel weitere Schritte unternehme, um das Westjordanland zu annektieren. Kerry ging auch auf die Forderung der Palästinenser ein, dass im künftigen Staat Palästina keine Juden leben dürften – und zeigte dafür Verständnis: „Glaubt denn wirklich jemand, dass Siedler sich in Palästina palästinensischem Recht unterordnen?“

Kommentar: Nun wird Kerry zum Demagogen. Er unterstellt, dass die Palästinenser einen Rechtsanspruch auf das biblische Judäa und Samaria hätten. Das ist falsch – völkerrechtlich, historisch und religiös. Der Status des sogenannten Westjordanlandes ist umstritten. Israels Oberster Gerichtshof hat dort den Abriss illegaler Siedlungsaußenposten angeordnet – und die Regierung hat sich dem gefügt, zuletzt in Amona. Dass der amerikanische Außenminister die Forderung nach einem „judenreinen“ Palästina unterstützt, ist schlicht ein Skandal.

Er könne mit Sicherheit sagen, dass Israel niemals Frieden mit den arabischen Staaten haben werde, ohne dass es einen Staat Palästina gebe. Die arabischen Führer hätten bestätigt, sie seien offen für ein neues Verhältnis mit Israel, wenn es bei den Palästinensern Fortschritte gebe.

Kommentar: Die Geschichte des Staates Israel zeigt, dass die Realität leider ganz anders aussieht. Hätte der Staat Israel nicht militärische Stärke gezeigt, wäre er längst von der Landkarte verschwunden. Wie naiv muss man sein um zu glauben, dass der abgrundtiefe Hass auf die „Zionisten“, der ganzen Generationen von Arabern von Kindesbeinen an eingeimpft wurde, sich plötzlich in Luft auflöst, wenn „Palästina“ anerkannt wird?

Auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung könne Israel die palästinensische Infrastruktur stärken und die Blockade des Gazastreifens lockern. Dies beeinträchtige Israels Sicherheit nicht. Ein endgültiges Friedensabkommen müsse letztlich durch direkte Verhandlungen beider Seiten zustande kommen, so Kerry weiter. „Wenn Israel 2018 sein 70-jähriges Bestehen feiert, werden die Palästinenser ein ganz anderes Jubiläum haben: die ‚Nakba‘ oder ‚Katastrophe“, erklärte der US-Außenminister. Den Palästinensern gehe es um „das vollständige Ende der Besatzung“. Jordanien und Ägypten könnten beiden Seiten auf dem Weg zum Frieden helfen.

Kommentar: Hier bedient Kerry schlimmste antiisraelische Vorurteile. Ein Großteil der Palästinenser wurde 1948 nicht vertrieben, sondern floh auf Anraten ihrer eigenen Politiker. Dass die Palästinenser Land verloren, ist unstrittig – aber dies war letztlich die Folge eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges (übrigens wurden auch 850.000 Juden aus arabischen Staaten vertrieben – eine oft verdrängte Katastrophe). Wäre Kerry konsequent, müsste er dafür eintreten, dass alle Staaten, die Kriege verloren haben, ihr ursprüngliches Territorium zurück erhalten. Dass die Formel „Land für Frieden“ bei Israels Nachbarn nicht funktioniert, könnte auch John Kerry wissen. Israel hat den Gazastreifen geräumt, mit Einsatz militärischer Gewalt gegen die eigene Bevölkerung. Die Hamas hat es dem jüdischen Staat dadurch gedankt, dass sie Gaza zu einer Terrorhochburg und Raketenabschuss-Basis gemacht hat. Zentrale Punkte klammert Kerry in seiner Rede aus: Betrachten die USA die Westmauer („Klagemauer“) als „besetztes Gebiet“, wie es die Vereinten Nationen tun? Soll Jerusalem wieder geteilt werden? Erkennen die Palästinenser Israel als jüdischen Staat an?

Kerry schloss seine Rede mit dem Appell an beide Seiten, sie dürften die Hoffnung nicht aufgeben. Er erhielt stehende Ovationen. Israels Regierungschef Netanjahu kritisiert Kerrys Rede in einer ersten Stellungnahme als „parteiisch“ und „besessen“.

Kommentar: Israel hofft, dass Kerry und Obama bis zum Regierungswechsel in den USA keinen weiteren Schaden anrichten. Am 20. Januar schlägt dann Donald Trump ein neues Kapitel der Nahost-Politik auf.

Foto: John Kerry in Tel Aviv / Matty Stern /US Embassy / Flash 90

Die Kerry-Rede ausführlich in englisch:

http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4899903,00.html

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