Die „Partei Allahs“ – Gefahr aus dem Norden
von Johannes Gerloff
JERUSALEM, 23.02.2018 – Israels „rote Linien“ sind klar: Die radikal-schiitische Hisbollah im Libanon darf keine weiteren hochentwickelten Waffensystemen bekommen. Das ist Konsens durch das gesamte politische Spektrum des jüdischen Staates. Um diese rote Linie einzuhalten, hat die israelische Luftwaffe im zurückliegenden halben Jahrzehnt Hunderte von Luftangriffen geflogen.
Nach der Zerschlagung des „Islamischen Staates“ – zumindest als Phänomen, das auf Landkarten erscheint – zeichnet sich jetzt ein weiteres „no go“ für Israel ab: Die Iraner dürfen sich nicht dauerhaft in Syrien festsetzen. Beides, die Bewaffnung der Hisbollah und das Hegemonialstreben des Iran, sind untrennbar miteinander verbunden. Die „Partei Allahs“, was „Hisb-Allah“ übersetzt bedeutet, ist nämlich nichts anderes als ein Bataillon der iranischen Armee.
Diese neue rote Linie der Israelis steht ganz offensichtlich im Widerspruch zu den diplomatischen Bemühen der Russen, Türken und Iraner. Diese Troika hat in den vergangenen Jahren das Vakuum ausgefüllt, das die Amerikaner im Nahen Osten hinterlassen haben. Diese drei potenten Spieler auf der machtpolitischen Bühne des Nahen Ostens sind bemüht, den Einfluss der USA immer weiter zurückzudrängen. Und sie wollen ihren jeweiligen Einflussbereich erhalten und ausbauen.
Der so genannte „schiitische Halbmond“ ist seit dem Verschwinden des Islamischen Staates von der Landkarte praktisch Realität. Die Mullahs in Teheran haben ihre Landverbindung vom Persischen Golf und dem Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer geschaffen. Vom Iran aus beherrschen sie den Irak, Syrien und den Libanon. De facto hat die Hisbollah-Miliz seit Jahren den einst christlichen Libanon im Griff. Gleichzeitig zieht sich die Zange aus der Perspektive Israels von Süden her zu, weil die Iraner massiv Einfluss nehmen durch die Houthi-Milizen im Jemen und die Hamas im Gazastreifen.
Krieg gegen die Hisbollah
Sollte es zu einem Krieg mit der Hisbollah kommen, steht Israel vor einem Dilemma: Es wird seine eigene Zivilbevölkerung nur schützen können, indem es den Libanon vernichtet. Mehr als 130.000 Raketen hat die Hisbollah im Libanon stationiert und kann damit ganz Israel bis nach Eilat erreichen. Diese Schiitenmiliz besitzt mittlerweile mehr Raketen als alle NATO-Staaten zusammengenommen, mit Ausnahme der USA. Und dieses mörderische Arsenal ist nicht in Militärbasen untergebracht, sondern zum Großteil in zivilen Wohngebieten eingelagert.
Im Falle einer akuten kriegerischen Auseinandersetzung kann Israel nicht warten, bis diese Raketen auf Israel abgeschossen werden. Die israelische Armee muss sie möglichst schnell vernichten. Die massiven Kollateralschäden unter der libanesischen Zivilbevölkerung, die dabei unvermeidbar sind, werden von der Weltöffentlichkeit höchstwahrscheinlich nicht der Hisbollah angelastet werden, sondern dem jüdischen Staat. Dabei sind sich die Politiker Israels darüber im Klaren, dass die Bilder aus einem zerstörten Nachbarland auch massive Auswirkungen auf die öffentliche Meinung im eigenen Land haben.
In Israel fürchtet man aber nicht nur einen weiteren „Libanon-Krieg“, sondern einen Krieg an der gesamten Nordgrenze, von Rosch Hanikra an der Mittelmeerküste, bis nach Hamat Gader am Südende der Golanhöhen, dem Dreiländereck Israel-Syrien-Jordanien.
Unvermeidbare Widersprüche
Dieses Szenario ist ein Albtraum für Israel, bei dem es keine Gewinner geben kann, schon gar keine glücklichen Sieger. Deshalb hat Israel keine Wahl. Es muss sich darum kümmern, die russischen Interessen in Syrien nicht grundlegend zu verletzen. Jerusalem muss die Regeln Moskaus akzeptieren, auch wenn diese sich mit den eigenen roten Linien reiben.
Wollen die Russen ihre Interessen durchsetzen, dürfen sie ihre iranischen Verbündeten nicht überstrapazieren. Gleichzeitig will Russland, das selbst vielfache Zielscheibe islamischer Extremisten ist, sich aber Israel nicht völlig entfremden. Deshalb wird Russland wohl auch weiterhin israelische Luftgriffe auf Syrien akzeptieren, obwohl es den syrischen Luftraum kontrolliert. Aber es wird auch die syrische Armee nicht daran hindern, zu versuchen, die israelischen Kampfjets abzuschießen.
Bild: Israel hat die Grenze zum Libanon jetzt mit zusätzlichen Betonwänden gesichert. Die bieten Schutz vor Scharfschützen, aber nicht vor dem riesigen Raketenarsenal der Hisbollah. Foto: Basel Awidat / Flash90