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Ultraorthodoxe protestieren gegen Ausweitung der Wehrpflicht

von Deborah Karrer

JERUSALEM, 10.07.2018 – In der Knesset ist ein Gesetz verabschiedet worden, das es jungen ultraorthodoxen Männern in Zukunft erschweren soll, den Militärdienst zu verweigern. Der Beschluss führte zu massiven Protesten in den konservativ-religiösen Vierteln Jerusalems. Unruhen solcher Art waren im vergangenen Jahr nicht selten und richteten sich gegen politische Entscheidungen, die die Sonderrechte der Strenggläubigen einschränkten. Auch diesmal werteten die Ultraorthodoxen den Beschluss der Knesset als Eingriff in ihre religiöse Praxis. Entscheidungen zur Wehrpflicht betreffen jedoch nicht nur die konservativ-religiösen Gruppierungen des Landes, sondern werden als gesamtnationale Angelegenheit verstanden. Die Wehrdienstverweigerung von zehntausenden jungen Männer hat die israelische Gesellschaft tief gespalten.

Oberster Gerichtshof: Sonderrechte verfassungswidrig

Das Thema gewann im Jahr 2012 zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit und veranlasste tausende junge Israelis dazu, für die „gerechte Verteilung von Lasten“ demonstrieren. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die die bisherige Handhabung als verfassungswidrig erklärte, entwarf die Knesset ein neues Gesetz. Dieses besagt, dass bis 2027 statt bisher 3000 jährlich 7000 ultraorthodoxe Männer rekrutiert werden sollen.

IDF: Ihr Einsatz ist unentbehrlich

1000 der rund 3000 ultraorthodoxen Männer, die im vergangenen Jahr ihren Militärdienst leisteten, dienten laut einer offiziellen Meldung der israelischen Armee (IDF) in Kampfeinheiten. „Es handelt sich um kluge, talentierte Personen. Ihr Einsatz ist unentbehrlich.“, erklärte General Eran Shani, Leiter des Personalwesens. Die Armee bemüht sich, den wenigen Strenggläubigen, die ihre Wehrpflicht absolvieren, entgegenzukommen. Hierfür wurden Einheiten wie beispielsweise Nahal Haredi etabliert, welche es Soldaten ermöglichen, trotz militärischer Ausbildung den Forderungen des streng religiösen Alltags gerecht zu werden.

Sanktionen gegen Thoraschulen

Nach dem Abschluss der Schulausbildung besuchen Männer mit ultraorthodoxem Hintergrund eine dreijährige Thoraschule, die sogenannte Jeschiwa. Die jungen Studenten sind verpflichtet, eine Schulbescheinigung zum Rekrutierungsbüro zu bringen, um für das jeweilige Folgejahr vom Wehrdienst befreit zu werden. Die meisten jedoch lehnen jegliche Kooperation mit der IDF ab und riskieren damit Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese Haltung wird oftmals damit gerechtfertigt, dass die Zeit in der Armee den Glauben der jungen Männer schwäche und die Einhaltung religiöser Pflichten behindere. Die Regierung will in Zukunft die staatlichen Unterstützungsgelder für Thoraschulen kürzen, die ein solches Verhalten befürworten. Damit gefährdet Regierungschef Benjamin Netanjahu jedoch seine Mehrheit im Parlament, wo er auf die Stimmen der ultraorthodoxen Parteien angewiesen ist.

Bild: Eine Sitzblockade von ultraorthodoxen Männern, die in Bnei Brak gegen die Wehrpflicht demonstrieren, wird von der Polizei aufgelöst (März 2018). Seit Monaten kommt es immer wieder zu derartigen Protesten. Foto: Flash90

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