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Europas Antisemitismus im Gewand des Antizionismus

LONDON, 02.04.19 (FJ) – Mit dem Kommentar, es sei „nicht antisemitisch die Juden Israels zu hassen“, hat es der ehemalige Bürgermeister Londons Ken Livingstone in der vergangenen Woche auf die Titelseiten israelischer Zeitungen geschafft. Der Skandal um Livingstone wirft einmal mehr die Frage auf, in welchem Verhältnis die antizionistische Haltung von Personen des öffentlichen Lebens in Europa zu der massiven Zunahme antisemitischer Übergriffe steht. Das ehemalige Mitglied der britischen Labour-Partei ist nicht der einzige Politiker, welcher Antisemitismus-Vorwürfe empört von sich weist, unter dem Vorwand lediglich die Existenz des jüdischen Staates zu kritisieren. Dass die antizionistische Haltung jedoch tief im Antisemitismus verwurzelt ist, findet in den Medien nicht gebührend Erwähnung.

Antizionismus isoliert das jüdische Volk auf politischer Ebene

Seit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands will niemand mehr ein Antisemit geheißen werden. Dem jüdischen Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen ist dagegen durchaus salonfähig. Die Problematik dieser Haltung zeigt sich zunächst darin, dass keinem anderen Staat aufgrund umstrittener politischer Vorgehensweisen das Existenzrecht abgesprochen wird. Ein großer Teil der internationalen Staatengemeinschaft verurteilt beispielsweise die Methoden des syrischen Assad-Regimes. Es werden in der Öffentlichkeit jedoch keine Stimmen laut, dass der syrische Staat aufgrund dessen aufgelöst werden solle. An Israel wird in vielen Fällen ein anderer Maßstab angelegt. Der Antizionismus will dem jüdischen Volk sein Selbstbestimmungsrecht absprechen und es damit zu isolieren. Dies muss zwangsläufig auf eine vorurteilsbelastete Einstellung zurückgeführt werden.

Nicht alle Juden in Israel sind Zionisten

Einen weiteren Hinweis auf den zugrunde liegenden Antisemitismus gibt die verwendete Rhetorik offener Israel-Gegner. Die jüdische Bevölkerung des Staates wird als eine geschlossene Einheit und nicht als eine vielfältige Gesellschaft adressiert. Was vielen fremd zu sein scheint ist, dass in Israel selbst viel Uneinigkeit über die politische Situation des Landes herrscht. Wie in jeder gesunden Demokratie, wird die Regierung vonseiten der Bevölkerung kritisiert und zur Verantwortung gezogen. Unter den Minderheiten Israels gibt es auch zum Thema Zionismus geteilte Meinungen: Die ultra-orthodoxen Juden etwa, lehnen diesen grundlegend ab. Alle Juden als Zionisten zu bezeichnend ist also faktisch schlicht und ergreifend falsch. Die Anwesenheit dieser religiösen Gruppierung in Israel ist von den Antizionisten dennoch unerwünscht. Man muss also feststellen, dass die Ablehnung der jüdischen Präsenz im Nahen Osten nicht auf deren zionistischer Einstellung basiert sondern auf deren Zugehörigkeit zum jüdischen Volk.

Obwohl sich die Sprache verändert hat, sind die Ressentiments zum Großteil dieselben geblieben. Die Rolle Israels in der hitzigen politischen Debatte in Europa zeigt, dass es sich hier um mehr als nur Kritik an einer Ideologie handelt, sondern um das kulturell-historisch verwurzelte Phänomen des Antisemitismus in Europa.

Foto: Demonstrant hält Schild mit der Aufschrift: Zionismus=Rassismus bei Anti-Israel Protest. Quelle: Ted Eytan/Wikimedia

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