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Israelis müssen erneut an die Wahlurnen

von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM,  30.05.2019 – Fünf Minuten vor Mitternacht stimmte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit lauter Stimme dafür, die gerade erst gewählte Knesset wieder aufzulösen und Neuwahlen abzuhalten. Eigentlich hätte er in jenen Minuten den Präsidenten anrufen müssen, um ihm mitzuteilen, das er die Regierungsbildung geschafft hatte. Denn um Mitternacht lief das Mandat zur Regierungsbildung aus, das Staatspräsident Reuven Rivlin ihm übertragen hatte. So ist Netanjahu nun der dritte designierte Regierungschef nach Schimon Peres und Zipi Livni, der  beim Versuch, eine Regierungskoalition zu bilden, gescheitert ist. Bis kurz vor Ablauf der Frist hatte Netanjahu vergeblich versucht, weitere Parteien in eine Koalition einzubinden.

Lieberman: Keine Kompromisse

Mit der Abstimmung im Parlament war klar, dass Netanjahu den Widerstand seines ehemaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman nicht überwinden konnte, um einen Kompromiss wegen des Militärdienstes von ultraorthodoxen Juden zu erreichen. Netanjahu wollte eine Koalition aus rechten und religiösen Parteien bilden. Das war rechnerisch einfach, scheiterte jedoch in der Praxis: Lieberman bestand auf der Einberufung der Strenggläubigen, deren Parteien lehnten das strikt ab.

In der Knesset stimmten 74 Abgeordnete für die Auflösung des Parlaments und für Neuwahlen im September, darunter die Likudpartei Netanjahus und die arabischen Parteien. Oppositionsführer Benni Gantz hoffte vergeblich, dass der Präsident ihn und seine Blau-Weiß-Bewegung mit der Regierungsbildung beauftragen würde. Auch für Gantz war keine Mehrheit in Aussicht.

Netanjahu bleibt Regierungschef

Bis zu den Wahlen am 17. September wird Netanjahu Übergangspremier bleiben. Dabei wollte die Opposition den Premierminister eigentlich stürzen, um ihn wegen Bestechungsvorwürfen vor Gericht zu zerren.

Die Neuwahlen werden die israelischen Steuerzahler umgerechnet rund 118 Millionen Euro  kosten. Ob sie eine neue Zusammensetzung der Knesset erbringen werden, ist völlig offen: in aktuellen Umfragen gilt Netanjahu bei den Neuwahlen erneut als Favorit.

BILD: Sie konnten sich nicht einigen: der frühere Verteidigungsminister Avigdor Lieberman (Links) und Regierungschef Benjamin Netanjahu. Foto: Yonatan Sindel / Flash 90

 

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