zurück zu Aktuelles

Ein Wahlkampf ohne Inhalte

Ein Beitrag von Ulrich W. Sahm

JERUSALEM, 06.09.19 – In Israel tobt der Wahlkampf momentan so heftig, dass man kaum etwas von ihm bemerkt. Am 17. September werden Israels Bürger erneut an die Wahlurnen gerufen, doch es gibt keine Sticker und man sieht kaum Wahlplakate. Dreimal täglich kann man jedoch im Radio die Wahlspots der Parteien hören. Da gibt es etwa die Partei mit dem inhaltsreichen und vielversprechenden Namen „Der Norden“. Zunächst werden die Bewohner aus dem Süden des Landes begrüßt. Das ist als ob die Ostfriesenpartei die Münchner grüßt, um auch in Bayern ein paar Stimmen zu ergattern. Die „Blau-Weiß-Partei“ lässt ein Kinderlied erklingen: „Wie schön ist es doch in diesem Selbstbedienungsladen. Alles gehört mir und ich kann mir alles erlauben.“ 

Die Parteien machen sich in Wahlspots übereinander lustig

Das Lied der stärksten Rivalenpartei von Benjamin Netanjahu’s Likud will mit diesem Lied Kritik an dem korrupten Premier üben. Die Likud mokiert sich wiederum über Jair Lapid, dem zweiten Anführer der Blau-Weiß-Partei: „Jair kann am Morgen sein Auto starten. Im Ausland stottert er äh, äh, äh. Er übt fleißig Karate und twittert unter der Dusche.“ Dann hört man Netanjahu mit Donnerstimme seine eigenen Erfolge aufzählen, darunter enge Beziehungen mit Trump und Putin, diplomatische Erfolge in Afrika und die erfolgreiche Abwehr von Terror dank des Geheimdienstes und der Sicherheitskräfte. Es folgt die sogenannte Schas Partei mit dem griffigen Namen: „Vereinigung der Tora-treuen Sepharden des Heiligen Rabbiners Ovadja Josef, gesegnet sei das Andenken des Gerechten“. Diese spielt eine uralte Tonaufnahme mit unverständlichem Nuscheln des verstorbenen, heiligen Rabbis. 

Die einst große Arbeitspartei lässt einen Rasierapparat erklingen, mit welchem Parteichef Amir Peretz seinen markanten Schnurrbart abnimmt, um dann wie der ehemalige US-Präsident George Bush zu rufen: „Read my lips“. So sollen die Wähler überzeugt werden, dass er alle Wahlversprechen halten werde. Laut Umfragen wird die Arbeitspartei möglicherweise nicht einmal mehr die 3,25 % Hürde nehmen können. Die Partei „Tora-Judentum und Sabbat, Tora-Vereinigung, Toraflagge und Israel-Vereinigung“ lässt den „prominenten“ Knesset-Abgeordneten, Uri Maklef erklingen, „den besten aller Gesetzgeber“, dessen Name in Israel kaum jemand kennt. 

Es wird viel Unterhaltung, aber kein politisches Programm geboten

Während eine russische Partei auf Russisch eine lange Erzählung ohne Übersetzung liefert, bietet die „Vereinte arabische Liste“ Sprachunterricht: ein Arabisches Wort und dazu das Hebräische Pendant. Und so geht es weiter mit obskuren Parteien wie beispielsweise den „Piraten“, welche für Cannabis und Internet werben. Bei so viel politischem Inhalt fällt es ziemlich schwer, sich für eine bestimmte Partei zu entscheiden.

Bild: Vier israelische Wahlscheine für die bevorstehenden Wahlen am 17. September. Quelle: Esty Dziubov/TPS

Weitere News aus dem Heiligen Land