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Deshalb sterben in Israel so wenige Menschen an Covid-19

JERUSALEM, 13.04.2020 (TM) – In Israel sind bis heute 110 Menschen an Covid-19 gestorben, der neuartigen Lungenkrankheit, die durch das Coronavirus verursacht wird. Schweden hat mit rund 10 Millionen Einwohnern nur wenige mehr als Israel. In dem skandinavischen Land sind mittlerweile 10.483 Menschen mit dem Virus infiziert, in Israel sind es 11.235, beide Länder liegen also in etwa gleichauf. Aber Schweden meldet 900 Todesopfer, also mehr als acht Mal so viele wie der jüdische Staat. Die Regierung in Stockholm hatte sich lange gegen Einschränkungen im Alltag gewehrt.

Ein anderes Beispiel: Großbritannien. In London nahm man das Virus lange nicht ernst. Großbritannien hat etwa sieben Mal so viel Einwohner wie Israel. Aber das Vereinigte Königreich hat 100 mal mehr Tote durch das Virus zu beklagen.

Früh sehr scharf reagiert

Im internationalen Vergleich hat die Regierung in Jerusalem sehr schnell und konsequent reagiert. Während anderswo auf der Welt noch Menschenmassen fröhlich Feste feierten, schränkte Israel bereits die Einreise ein und verordnete umfassende Quarantänemaßnahmen. Die Wirtschaft wurde radikal herunter gefahren, ohne Rücksicht auf den Tourismus, der völlig zum Erliegen kam. Kindergärten, Schulen und Universitäten wurden geschlossen. Es folgte die Abriegelung ganzer Städte und die Überwachung der Ausgangssperre mit Anti-Terror-Technologie der Geheimdienste. Die Armee übernahm leerstehende Hotels und machte daraus überwachte Quarantäne-Zentren. Und nun die Pflicht zum Tragen von Atemmasken in der Öffentlichkeit: Das Gesundheitsministerium lässt sich immer neue Maßnahmen einfallen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Gleichzeitig sind Mossad-Agenten auf der ganzen Welt unterwegs, um Medikamente, Beatmungsgeräte und Schutzmasken zu beschaffen. An der Kotel, der sogenannten Klagemauer, gab es Gebete der führenden Rabbiner für die Coronavirus-Opfer.

Ultraorthodoxe spät informiert

In Israel sind die ultraorthodoxen Wohngebiete die Zentren der Coronavirus-Infektionen. Hier leben kinderreiche Familien auf engstem Raum zusammen. In Synagogen und Bibelschulen wurde das Virus rasch übertragen. Lange war den Strenggläubigen nicht klar, wie gefährlich die neue Krankheit ist: Viele Ultraorthodoxe haben kein Fernsehen und kein Smartphone, sie hören kein Radio und lesen keine Zeitungen. Sie hören auf ihre Rabbiner – und die Regierung hat zu lange gebraucht, um diese von den Beschränkungen zu überzeugen. Ansonsten stände Israel heute bei der Coronavirus-Bilanz noch weit besser da. Ultraorthodoxe Politiker warnen aber davor, ihre Gruppierung zu Sündenböcken zu machen. „Wir brauchen transparente Kriterien für die Beschränkungen, damit niemand das Gefühl hat, dass dieser oder jener Sektor diskriminiert wird“, fordert deshalb David Horovitz, der Chefredakteur der „Times of Israel“.

Spitzenpolitiker keine Vorbilder

Heftige Kritik gibt es aktuell am Verhalten einiger Spitzenpolitiker. Staatspräsident Reuven Rivlin feierte Pessach trotz Verbots mit Tochter und Enkelkindern. Regierungschef Benjamin Netanjahu verbrachte den Sederabend mit seiner Familie inklusive einem Sohn, der nicht in seinem Haushalt lebt – das war ausdrücklich verboten. Auch der frühere Verteidigungsminister Avigdor Lieberman scherte sich wenig um die Beschränkungen und lud zum Fest seinen Sohn und seine künftige Schwiegertochter ein.

Israel tut sich nun schwer damit, ein Ausstiegs-Szenario zu entwickeln. Regierungschef Netanjahu verbreitete in seiner Osterbotschaft an die Christen im Land Optimismus: „Wenn wir alle den Richtlinien des Gesundheitsministeriums folgen und Abstand zu anderen halten, können wir Corona besiegen. Wir können bald wieder zur Normalität zurück kehren, vielleicht sogar innerhalb von Wochen “, unterstrich er. Doch das glaubt tatsächlich derzeit kaum jemand im Heiligen Land.

Bild: Eine Frau wartet an einer Bushaltestelle in Jerusalem. Wer seine Wohnung verlässt, muss eine Atemmaske tragen. Foto: Yehonatan Valtser/TPS

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