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Grenzpolizei erschießt behinderten Araber – Hamas fordert Rache

JERUSALEM, 30.05.2020 (TM) – Israelische Grenzpolizisten haben am Samstag in Jerusalem einen 32-jährigen Araber erschossen, der an Autismus leidet und auf dem Weg zur Schule war. Nach Angaben der Behörden war er Polizisten am Löwentor zur Altstadt aufgefallen, weil er einen „verdächtigen Gegenstand“ bei sich hatte, den sie für eine Waffe hielten. Die Polizisten forderten den jungen Mann auf, stehen zu bleiben, aber er rannte weg. Zwei Grenzpolizisten verfolgten ihn und gaben mehrere Schüsse ab, die den Flüchtenden tödlich trafen. Bei der anschließenden Suche nach dem „verdächtigen Gegenstand“ wurde dieser nicht gefunden. 

Palästinenser: „Mord“ und „Kriegsverbrechen“

Der Vorfall löste heftige Reaktionen aus. Die Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Abbas sprach von einem „Kriegsverbrechen“. Für die „Hinrichtung“ des jungen Mannes trage Regierungschef Netanjahu die volle Verantwortung. Die radikalislamische Hamas, die im Gazastreifen regiert, erklärte, die tödlichen Schüsse befeuerten „die Revolution unseres Volkes, die nicht aufhören wird, bevor die Besatzer das gesamte palästinensische Land verlassen.“ Die Terrorgruppe warnte vor einer neuen Intifada, einem gewalttätigen Palästinenseraufstand. Die „Exekution“ des behinderten jungen Mannes zeige „den Sadismus der israelischen Führung.“ 

Der Rechtsanwalt der Opferfamilie, Gad Kadmani, sagte in einer Stellungnahme: „Dies ist ein Mord, und dies ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist. Der Fall muss gründlich untersucht werden. Acht Kugeln wurden auf ihn abgefeuert – es gibt Kameras, die alles aufgezeichnet haben.“ Für den Abend wurden mehrere Demonstrationen angekündigt. Die Polizei, die angesichts der aufgeheizten Atmosphäre Krawalle befürchtet, schloss die Tore zur Altstadt.

Politiker: Parallelen zu Minneapolis

Unterschiedliche Reaktionen gab es im israelischen Parlament, der Knesset. Oppositionsführer Yair Lapid twitterte: „Der Tod einer jungen Person, die besondere Förderung braucht, ist herzzereißend. Israel senkt das Haupt in Trauer. Das ist nicht unser Weg.“ Ayman Odeh von der Vereinigten arabischen Liste erklärte hingegen, man müsse gegen den Versuch kämpfen, den Fall zu vertuschen. Die beteiligten Polizisten müssten ins Gefängnis. Gleichzeitig müsse man daran erinnern, dass sie nur den Abzug betätigt hätten, aber die Besatzung habe ihre Waffen geladen. Mehrere Politiker sahen Parallelen zum Tod des Schwarzen George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis (USA).

Die israelische Polizei gab eine Presseerklärung ab, in der sie vor verantwortungslosen Verallgemeinerungen warnte. Die Ordnungshüter arbeiteten Tag und Nacht für die Sicherheit der israelischen Zivilisten: „Die Mission der Polizeikräfte in Jerusalem und insbesondere in der Altstadt ist eine komplexe Aufgabe. Sie beinhaltet komplexe Entscheidungen, Opfer und das Risiko des eigenen Lebens.“

Schütze unter Hausarrest

Ermittler der Polizei untersuchen derzeit den genauen Hergang. Laut dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender Kan gab der Kommandant des Grenzpolizisten bei der Befragung an, er habe ihm befohlen, mit dem Schießen aufzuhören. Der Polizist bestreitet, dass ihm gesagt wurde, er solle das Feuer einstellen. Der Kommandeur wurde unter Auflagen freigelassen. Der Beamte, der die tödlichen Schüsse abgab, wurde unter Hausarrest gestellt.

Bild: Grenzpolizisten sichern den Zugang zum Ort des tödlichen Vorfalls in der Jerusalemer Altstadt. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

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