Nacht der Proteste: Zehntausende gehen gegen Regierung auf die Straße
JERUSALEM, 02.08.2020 (DK) – In Israel haben die nächtlichen Proteste gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und die Corona-Politik der Regierung merklich zugenommen. Am Samstagabend versammelten sich über zehntausend Menschen vor der Residenz des Regierungschefs in Jerusalem. Gemeinsam forderten die Anwesenden den Rücktritt des unter Anklage stehenden Premiers. Netanjahu wurde von den Demonstranten neben Bestechlichkeit auch schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen. Viele Teilnehmer trieb der Frust über die hohe Arbeitslosigkeit und die ausbleibenden Staatshilfen auf die Straße.
Demonstranten versammeln sich in mehreren Städten des Landes
Jede Nacht sperrt die Polizei in Jerusalem und Tel Aviv sämtliche Hauptstraßen. Wer nach sechs Uhr abends nach Hause gelangen will, muss unter Umständen große Umwege auf sich nehmen. Obwohl die Proteste offiziell auf Samstagabend angesetzt sind, harren einige Netanjahu-Gegner jeden Abend vor der Residenz im Stadtteil Rehavia aus. Doch nicht allein in Jerusalem verleiht die Bevölkerung derzeit ihrem Unmut Ausdruck. In Tel Aviv finden sich ebenfalls regelmäßig Hunderte zu Demonstrationen gegen die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung zusammen. Am Samstag versammelten sich außerdem rund Tausend Menschen in Caesarea, und kleinere Gruppen auf Autobahnbrücken im ganzen Land zu Kundgebungen.
Hälfte der Bevölkerung fürchtet finanziell um Zukunft
Israel leidet momentan unter einer der größten Wirtschaftskrisen seit Staatsgründung. Seit Ausbruch der ersten Welle des Coronavirus im März ist die Arbeitslosigkeit von knapp vier auf über zwanzig Prozent gestiegen. Doch die geringe Kaufkraft und Kurzarbeit lässt noch mehr Bürger um ihre Zukunft fürchten. Laut einer Studie des Zentralbüros für Statistiken weiß die Hälfte der Bevölkerung nicht, wie sie ihre Ausgaben im kommenden Monat decken soll.
Der Regierung werden auf der einen Seite zu strenge Regelungen und auf der anderen Seite zu schnelle Lockerungen der Maßnahmen vorgeworfen. Denn Israel zählt inzwischen zu den Ländern mit den höchsten Infektionszahlen pro Kopf. Dennoch fordert der Beauftragte der Regierung für den Umgang mit COVID-19, die Maßnahmen schrittweise zurückzunehmen. Bei einem Interview erklärte Ronni Gamzu, dass das wirtschaftliche Trauma derzeit mehr Schaden als das Virus anrichte.
Titelbild oben: Proteste vor Premierminister Benjamin Netanjahus Residenz in der Nacht zum Sonntag. Quelle: Yonatan Sindel/Flash90